Es ist der 14. Dezember 2009 und eigentlich fühle ich mich an wie Sommer, abgesehen von den sibirischen Temperaturen vor meiner Haustür. Ich trage kurze Hosen, einen Pulli, dicke Wollsocken sowie Schal und heize auf karibisch. Ich habe kein einziges Weihnachtsgeschenk und auch noch nicht wirklich in Ruhe darüber nachgedacht, was ich wem nun schenken könnte. Schlimmer noch: ich habe auch überhaupt keine Böcke darauf. Ein Zustand, der durch den Umbau der Wohnung, den ich seit Wochen parallel zum alltäglichen Leben stemme, sicherlich begünstigt wird. Zwischen Agentur, Meetings, Veranstaltungen, Farbeimern, Umzugskisten, Werkzeug, neuen Möbeln, Handwerkern, Speditionen und Suchaktionen z.B. nach der Kuchenspringform bleibt einfach wenig Zeit und noch weniger Nerven.
In ungefähr einer Woche ist Weihnachten und es fühlt sich an, wie die Einladung zu einer Party, die einem nicht richtig unangenehm ist, aber unbedingt hingehen will man auch nicht. Es ist mir sozusagen momentan ziemlich egal – ich habe andere Probleme – ich schiebe sämtliche Weihnachtsdeadlines fleißig vor mir her, aber so langsam sind sie allesamt mausetot. Die Tage um Weihnachten und den Jahreswechsel empfinde ich als ein Eckdatum und wenn man es genau betrachtet, ist so ein Jahr irgendwie wie ein Kartenspiel. Man betrachtet stets seine Karten, die man im Laufe eines Jahres zieht oder zugeschoben bekommt, legt sich eine Taktik zurecht und spielt seine Karten aus – vielleicht gewinnt man, vielleicht verliert man. It doesn’t matter, denn anschließend werden die Karten neu gemischt, gezogen und alles fängt wieder von vorne an. Zwar andere Karten, andere Gewinner und Verlierer, aber der Ablauf bleibt gleich. Die Tage zwischen Weihnachten und Silvester nutzt man um Bilanz zu ziehen – das Jahr Revue passieren zulassen. Man wird nachdenklich, traurig, glücklich,… und nimmt sich eventuell selbst ins Gebet. Ein Jahr endet – etwas Neues beginnt. Das Buch 2010 liegt reinweiß vor uns und wartet darauf beschrieben und gefüllt zu werden.
Das tut jetzt aber eigentlich nichts zur Sache, denn eigentlich wollte ich ja über meine Assoziationen und Erinnerungen bezüglich Weihnachten schreiben. Als ich mein Gedächtnis vor kurzem durchkramte, in der Hoffnung auf eine Erinnerung zu stoßen, die mich ein wenig weihnachtlicher einzustimmen vermag, kam ich auf die Erkenntnis, die bedauerlicherweise wahrscheinlich jedem von uns bereits bewusst ist: Weihnachten ist unübertrefflich, wenn ein Kind da ist, das noch an den Weihnachtsmann glaubt. Das Wahren des großen Geheimnisses, das geschickte Aushorchen nach Geschenken, das Verstecken der Geschenke, das heimliche Suchen und dann auch noch die wirklich strapaziöse Aufgabe der Erwachsenen, sich diese Verstecke zu merken. Einfach großartig. Nie hat Weihnachten mehr Spaß gemacht.
Obwohl, das stimmt so nicht. Am allerbesten war Heiligabend nämlich, als ich selbst noch daran glaubte. Dass ein großer, breitschultriger, gemütlicher, alter Mann mit weißem Rauschebart, warmer Stimme und rotem Mantel an einem Abend im Jahr auf seinem Schlitten herumfliegt und allen Kindern Geschenke bringt. Wie schön war es doch, tatsächlich zu glauben, dass es ein Wesen gibt, das niemand jemals wirklich gesehen hat. Zumindest kein Kind. Ja, Erwachsene manchmal, aber immer nur am Fenster vorbei fliegen und bis man dann selbst zum Fenster gestürzt war, war es auch schon weg. Logisch, dass den Weihnachtsmann nie einer wirklich sehen konnte, er muss schließlich innerhalb eines Tages alle Kinder weltweit beschenken – er ist der viel beschäftigste Mann in diesen Tagen. Dieser Mann hat mich fasziniert. Die Wünsche der Kinder einfach so zu wissen, Säckeweise Geschenke zu schleppen und auf einem Schlitten fliegen zu können. So sehr ich ihn manches Jahr auch gefürchtet habe, so sehr habe ich ihn auch geliebt und er hat mich nie enttäuscht. Es roch nach Plätzchen und Spekulatius, das Wohnzimmer wurde von Kerzen und einem hübsch geschmückten Baum erleuchtet, die Pyramide mit den Holzfiguren drehte sich, aus den Lautsprechern drang Musik mit Glockengeläut und wir Sprösslinge übten im Kinderzimmer im aufgerüschten Kleid und Hemd aufgeregt unsere Gedichte und Lieder, die wir extra für den Mann mit dem Rauschebart gelernt hatten. Eine magische Zeit, so unbefangen und unbekümmert.
In diesen Tagen vermisse ich diese Zeit, Magie und den Weihnachtsmann manchmal. Ich möchte einmal nochmal Kind sein und an diesen großartigen Mann glauben, diese Aufregung und Vorfreude spüren. Er müsste mir noch nicht mal ein Geschenk mitbringen, lediglich dieses Gefühl. Leider kann ich mein Wissen nicht rückgängig machen. Jedoch bleibt ein kleines Trostpflaster, nämlich der Gedanke daran, dass ich irgendwann vielleicht selbst ein Kind haben werde und damit dann zum Santa Claus Bodenpersonal gehöre und der ganze Zauber wieder ein bisschen spürbarer wird. Ein schöner Gedanke mit dem ich zum Schluss kommen möchte.
Vergesst nicht während aller Hektik, Weihnachten findet genau genommen in unserem Herzen statt, welches uns das Jahr über gelegentlich das Leben so schwer macht. Zugleich aber auch der allerbeste Grund überhaupt ist, jeden Morgen wieder lächelnd auf die Straße, raus in die Welt zu gehen. Weihnachten passiert in der Brust und nicht auf der Straße oder in irgendwelchen Geschäften!
Ich wünsche allen Lesern ein frohes Weihnachtsfest, Zeit innezuhalten und nach vorne zu schauen, neue Ziele zu formulieren – um sie 2010 zuversichtlich zu realisieren, und ein paar dieser Momente, in denen man jemandem eine Kleinigkeit in die Hand drückt und dieser Mensch beim Auspacken dieses aufrichtige Glänzen in den Augen hat.