Fast hätte ich mich an dem Stück "kalten Hund" verschluckt, als mein Blick auf mein Storyboard fiel.
«21.30 Uhr Champagner & Erdbeeren»Hä? Moment! Dieser Punkt gehörte definitiv nicht zu der Benefizveranstaltung, meinem Projekt, das in diesem Moment in Form von mehreren hundert Menschen um mich tobte. Okay, durchatmen und sammeln! Ich hatte alles genaustens im Blick - die Zeit, Bühne, Künstler, Presse, Fotografen, Gäste, Mitarbeiter und mein Team. Niemand verhielt sich verdächtig, sie lächelten mir zu, nickten oder winkten. Keine Zeit für Spielchen, die Veranstaltung neigte sich dem Ende.
Seit 12 Stunden war ich praktisch überall gleichzeitig, um sicherzugehen, dass ich in den letzten Wochen wirklich alles bis ins winzigste Detail bedacht hatte und bereit notfalls Feuerwehr zu spielen. Einen Plan B in der Hinterhand. Der Kunde war in erster Linie schwierig und mochte langbeinige Blondinnen am liebsten in seinem Bett. (Vermutlich war ersteres der Grund, warum mein Chef mir das Projekt übergab.) Nachdem er mich das erste Drittel des ersten Meetings NUR als hübsche Dekoration meiner männlichen Kollegen behandelte/sah, hatten wir, nach zwei Sätzen unter vier Augen, eine überaus angenehme, respektvolle und professionelle Zusammenarbeit. Ich schweife ab. Alles lief wie am Schnürrchen. Ich hatte Team, Künstler und Rahmenprogramm optimal ausgewählt. Ha, ich bin gut. Perfekt.
"Wo ist denn Frau XY? Kommen Sie zu mir auf die Bühne!"...riss mich aus meinen Gedanken. Der meint mich. Na herzlichen Glückwunsch. Das war weder geplant noch abgemacht und in einen Spiegel hatte ich zuletzt vor Stunden geguckt. Nützt alles nichts, ich drücke M. die Kuchengabel in die Hand, richte blind das aufgeplatzte Sofakissen auf meinem Kopf und kämpfe mich nach vorn. Mein Körper war voll Adrenalin. Normalerweise wird sowas intern gemacht. Der Kunde lobte meine Arbeit in den Himmel und bedankte sich mit einem überdimensionalen Blumenstrauß sowie einem Präsent. Wenn ich bedenke, was ihn unsere Arbeit gekostet hat, eine sehr nette Geste. Der Kunde strahlte, mein Chef strahlte und bei mir fiel der Groschen, wer heimlich den ominösen letzten Programmpunkt auf mein Board gekritzelt haben musste.
M., der Mann mit der Kuchengabel, dem ich Stunden (gefühlte 100 Jahre) zuvor das erste Mal in meinem Leben begegnet war. Mit dem ich mir vor fünf Minuten den Kuchen und die Gabel geteilt hatte - natürlich lediglich aus Zeitgründen ;) Ein charmanter, schlagfertiger, gutaussehender, junger Doktorand und privater Bekannter des Auftraggebers.
Und wie oft hast Du schon die Nacht mit einem Helden verbracht
Und bist am nächsten Morgen neben dem Teufel erwachtZu oft. Keine grosse Sache an sich. Keine große Liebe, keine großen Gefühle. Und trotzdem ODER vielleicht gerade deshalb, eine Sache die man getrost auch hätte auslassen können. Ich hatte fast ein schlechtes Gewissen als ich auf die Frage, ob wir am Abend gemeinsam Essen gehen, morgens mit
"Nein, besser nicht." antwortete und aus seiner Wohnung schlich. Er schickte Blumen in die Agentur.
Er schickte sogar Karten aus Vietnam.
Schick die Dämonen in die Hölle, wo sie hingehörenExakt. Und die Teufel gleich mit! Nicht, weil es schmerzlich ist, sondern weil es egal ist. Wäre es schmerzhaft, würde es wenigstens Sinn machen. So aber ist es bloss eine Sache, von der man längst weiss, was man davon hält und es trotzdem wieder macht.
Und wie oft hast Du schon die Nacht mit einem Helden verbracht
Und bist am nächsten Morgen neben dem Teufel erwacht
(Thomas D. - Uns trennt das Leben)