Mittwoch, März 11, 2009

Spurensuche

520 Tage sind vergangen. Mein Leben stand Kopf. Mein Kopf war voll. Mein Herz unter einem schweren Felsbrocken eingeklemmt. Aus allem, was war, wurde ein Nichts. "Wer bin ich eigentlich?" Zum ersten Mal in meinem Leben stellte ich mir diese Frage. SPURENSUCHE. Gegen Fragen ist nichts einzuwenden, doch was, wenn es keine Antworten gibt?

Damals wusste ich noch nicht, dass mich das Schreiben begleiten und der Blog solche Ausmaße annehmen würde. Ich schrieb nicht um des Schreibens sondern des Lebens Willen. Die letzten 520 Tage waren die Emotionalsten. Eine Achterbahnfahrt mit besonders steilen Loopings.
Herzorgasmen und freiem Fall.


Vorgestern Nacht sass ich im Bett. Im Schoß einen großen Schuhkarton voller Erinnerungen. Briefe, Fotos, Karten, Zettel mit Liebesschwüren. Einen kleinen Teil von uns, den ich bis dato noch nicht tief in eine dunkle Umzugskiste verbannt hatte, habe ich während des Auszuges schnell in meiner persönlichen Krambox verstaut und diese auf den Schrank in die hinterste Ecke geschoben. So hielt ich vor zwei Tagen einige seiner Briefe in der Hand. Er hat mir in den ersten anderthalb Jahren oft geschrieben und die Briefe quer durch Europa hinterher geschickt. Er lächelte mir plötzlich von Bildern entgegen - nach fast 365 Tagen Funkstille. Die kleinen Zettelbotschaften in seiner Kritzelschrift, die er gern irgendwo in meinen Sachen versteckte, entlocken mir ein müdes Lächeln. Schön war's. So schwer die letzten Wochen waren, wir hatten wunderbare Jahre miteinander.

Es hat geregnet. Ich trug meine Lieblingsjeans, einen schrecklichen rosafarbenen Pullover und meine Haare kinnlang & wild als wir uns an einem Mittwochabend an der Tankstelle begegneten. Wir haben die darauffolgenden fünf Tage miteinander verbracht. Ich seh uns noch am Potsdamer Platz sitzen, als wir uns gegenseitig erklärten, dass das mit uns aufgrund von tausend verschiedenen Gründen niemals was werden kann. Er wollte sich nicht fest binden und ich war es. Es kam anders als ursprünglich geplant. Ich hab es ihm verdammt schwer gemacht und eine Weile gebraucht, um mir einzugestehen, dass auch ich mich verliebt habe. Dieser Womanizer legte sich ins Zeug und lies sich nicht beirren. Als ich ihm 4,5 Jahre später sagte, dass ich unglücklich mit der Beziehung sei, war er überrascht und ratlos. Er hielt es für eine Phase, die vorübergeht. Geblieben ist die Kiste voll mit Erinnerungen an eine große Liebe, von der ich einst dachte, sie würde alle Stürme überstehen.

Auch wenn mein oberster Vorsatz nach der Trennung war, mich NIEMALS wieder zu verlieben oder auch nur einen Mann näher anzuschauen, habe ich ihm viel zu verdanken. Ich bin mir selbst ein ganzes Stück näher gekommen in den vergangenen 520 Tagen. Und ich habe durch ihn fantastische Menschen kennengelernt, die mir sehr ans Herz gewachsen sind und die ich nicht mehr missen möchte. Dank seines Jobs als Landesverteidiger sass ich unter anderem mit der Lieblingsamazone in einem Boot - erst haben wir über die BW heiss diskutiert - heute sind es die Männer. Ohne ihn wäre ich vermutlich nie für zwei tolle Jahre in den zauberhaften Städten Erfurt/ Weimar gelandet und auf die Idee gekommen doch nochmal zurück auf die Schulbank zu gehen. Ohne ihn hätte ich wahrscheinlich nicht das Bedürfnis gehabt unseren Freundeskreis um ein paar passende Pärchen zu erweitern, so stolperte ich über B. & C. - ein absoluter Glücksgriff. Durch die Frau seines Großcousins landete ich unmittelbar nach der Trennung auf einem Mädelabend bei mir um die Ecke. Wir sind zwar nicht mehr befreundet, aber an dem Abend sass ich auf der richtigen Seite des Tisches...die Mädels links und rechts von mir sind nur noch schwer wegzudenken. Und ohne ihn hätte ich das Bloggen eventuell nie angefangen - auch hier bin ich einigen wunderbaren Menschen begegnet mit denen ich einiges gemeinsam habe.
Danke an dieser Stelle an euch alle - fürs Lesen, die Denkanstöße, Meinungsäußerungen und Emails.


Es heisst nicht umsonst "ALLES SCHLECHTE HAT AUCH WAS GUTES."

Die Briefe, Fotos und Zettel habe ich mit einer Schleife zusammengebunden und zurück in die Kiste gepackt. Was macht man irgendwann mit diesen Erinnerungen? Verbrennen, im Keller verstauben lassen?

18 Kommentare:

  1. 520 Tage zu warten und dann nochmals lesen und dann 1040 Tage warten und dann.....
    lächeln....
    Habe über die Jahre und die Umzüge alles entweder verloren oder weggeschmissen und manchmal bin ich traurig darüber, aber nur manchmal.
    Lächle jetzt über jede meiner Damen die mich begleitet und die ich begleiten durfte.
    Machst aber schon das Richtige!

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  2. Vermutlich verstauben sie im Keller. Vermutlich hat wirklich alles Schlechtes auch was Gutes.
    Vermutlich wirst du dich auch trotz aller Vorsätze wieder verlieben-aber nie wieder SO!

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  3. Vor fünf Jahren, auf dem Weg nach München, habe ich mich von allem Vorherigen gerennt: Von Briefen der Verflossenen, Büchern, Geschenken usw. - insgesamt wirklich sehr viel für gerademal 18 Lebensjahre. Jahaa ich, ne! *g*

    Zeitweise wünsche ich mir, ich hätte es einfach in einen großen Karton gepackt und nicht in die Mülltonne. Damals war mir das aber ein Bedürfnis und deswegen ist es auch okay so. Mit einem - inzwischen Mann - hab ich sogar schon dessen Sicherungskopien von unseren Briefen begutachtet und herzlich drüber gelacht! ;)
    Für die folgenden 4 Jahre hab ich jetzt ne kleine Kiste im Keller, viele Sachen stehen auch in der neuen Wohnung, alles halb so wild.

    Was ich sagen will: Man muss nur einen angemessenen Weg finden, damit umzugehen. Wie der aussieht ist jedem selbst überlassen, ich persönlich empfehle aber: Lieber erstmal weit wegschließen, wegschmeißen kann man den Kram auch noch später.

    P.S.: Und Luna wollte ich ein Domizil im Keller gern ersparen :))

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  4. schön geschrieben. das klingt so... friedlich. also so ohne richtigen bitteren beigeschmack... schön, wenn man das so im rückblick sagen kann!

    fürs wegwerfen ist sowas zu schade. aufbewahren, unbedingt! das sind alles mal erinnerungen, über die man später schmunzelt und sich nur ärgert, sollte man sie wegwerfen!

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  5. don't look back in anger, würd ich sagen! (aber das scheinst du ja auch nicht zu tun). nur weil etwas vorbei ist, heißt das ja nicht, dass man sich nicht im nachhinein noch über die schöne zeit freuen kann, die man zusammen verbracht hat.
    und überhaupt hat alles negative, was man erlebt, auch immer was gutes (manchmal sieht man das halt erst später ;-))! die erfahrung hab ich jedenfalls gemacht:
    http://mariuca.twoday.net/stories/5273391/

    alle paar jahre sollte man die kiste rausholen und ein bisschen in erinnerungen schwelgen, finde ich.

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  6. *schief* Wie schön! Hier lese ich immer wieder gerne. Machense ruhig weiter!

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  7. Ich tipp mir hier die Finger wund und dann verschwinden meine Comments in den Weiten von Blogger *argh* ...ich bin natürlich ganz ruhig und entspannt, nehme schließlich seit heute Bachblüten ;)
    Werde es später nochmal versuchen, jetzt geh ich erstmal Sushi essen mit Freunden.
    Euch einen schönen Mittwochabend!
    sonnige Grüße

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  8. Ach, das passiert auch bei Dir....
    Komisch, kommt in letzter Zeit auch häufiger bei mir vor.

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  9. Hab mir auch das Copy & Paste vor den abschicken angewöhnt. Man weiß ja nie...

    Lg Peri

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  10. Als ich damals für die Bw längere Zeit irgendwo in Europa war, bekam ich nur eine Postkarte nach 4 Monaten.

    "Wann kommst Du auf Urlaub? Wir müssen reden."

    Nicht nach 4,5 Jahren, sondern nach 7 Jahren. Allerdings verfiel sie schon vor dem Absenden der Karte in puren Aktionismus...

    (Beretta, Amok, Gedöhns..!)

    Vor zwei Jahren sah ich sie auf einem Festival und konnte mir nicht mehr vorstellen, daß mir diese Person jemals ins Herz und an die Nieren gehen konnte.

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  11. "Seufz" - musste denn jetzt sowas schreiben? Hm...

    Was macht man mit Erinnerungen? Ich kann Dir das nicht sagen. Ich habe gerad die kürzeste und vielleicht schlechteste Beziehung meines Lebens hinter mir, geblieben sind, die mir allerliebsten Erinnerungen überhaupt. Nur, wann weiß man, dass die verbleibenden Erinnerungen, die liebsten sein werden?

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  12. Erinnerungen und Erlebnisse sind, ob gut oder schlecht, bildend für unsere Zukunft. Sie sind es , die mithelfen, uns zu dem zu machen, was wir jetzt sind.
    Also sind sie immer ein Teil von uns und werden es auch immer sein.
    Wichtig ist, daraus zu lernen.

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  13. Hier ENDLICH die angekündigten Antworten auf eure Kommentare. Keine Ahnung wie so was funktioniert, aber ich bin IHM letzten Mittwoch völlig überraschend mitten auf der Straße begegnet. Nach über einem Jahr. Mein erster Gedanke war „Das passiert jetzt nicht wirklich. Das gibt’s gar nicht.“ Der zweite Gedanke war „Uuuiii er sieht schlecht aus, so dünn. (Wo ist der toll trainierte Körper?)“ Ich wäre nicht böse gewesen, wenn mir jemand vorab Bescheid gegeben hätte, wann der Tag X ist – dann hätte ich mich nicht so überfahren und vom Leben verarscht gefühlt.

    @Hans: Ich lächle. Das hatte ich zwar Mittwoch kurzzeitig in Frage gestellt, aber nach ein paar Tagen Abstand lächle ich. Doch. Wirklich.
    Wegschmeissen? Vielleicht irgendwann...

    @Spezialistin: Herzlich Willkommen :)
    Mhmmmm...vermutlich. Ich denke, man kann mehrmals im Leben lieben. Nur wird es ganz anders sein.

    @Detailsuche: +lach+ Da hatte Luna ja nochmal richtig Glück gehabt.
    Yep, das Bedürfnis Erinnerungen wie Briefe, Fotos, etc. zu entsorgen ist mir nicht ganz unbekannt. Habe vor vielen Jahren mal ein großes Feuer gemacht und meinen damaligen Ex damit aus meinem Leben verbannt. Das ist aber auch heute noch eher so'ne Erinnerung und Erfahrung an der man zwar gereift ist, nur an die man nur ungern zurück denkt. Ist aber eine Ausnahme ;) - sonst hab ich's Deiner Empfehlung gleich getan.

    @thg: Danke +schmunzel+ ...ich habe aktuell nochmal darüber nachgedacht und ja es IST FRIEDLICH. Ich bin dankbar für die Zeit und wünsche ihm nur das Beste für seine Zukunft.
    Ich bewahre es auf... ;)

    @mariuca: Nein, weder Wut – noch Zorn :) ...Du sprichst mir aus dem Herzen. Und stimmt, manchmal dauert es eine Weile bis man das Gute sieht.

    @Frau Ährenwort: +lach+ DANKE...sie machen mich ganz verlegen.
    Ich habe noch einiges zu verbloggen ;)

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  14. @Zeigefinger: Mhmmmm...Bw & Beziehungen ein Thema für sich. Habe in den 5 Jahren eine Menge solcher Dinge erlebt. Traurig – nach 7 Jahren diesen Weg zu wählen.
    +schmunzel+ ...ans Herz geht er mir auch nicht mehr. Null. Ich habe ihn gesehen und fühlte nada. Niente. Das ist wohl der Lauf der Din

    @Herr Liebreiz: Was für eine Freude. Du hier? =) Ich freu mich.
    Ach mensch...ich glaube, entweder bleiben die allerliebsten Erinnerungen oder sie relativieren sich irgendwann, wenn man den nötigen Abstand hat. Es werden weitere, neue Erinnerungen dazu kommen und Bilanz kannst Du dann als alter Mann ziehen ;) ...ich denke, wenn Erinnerungen ein warmes Gefühl hinterlassen ist es gut. Weisst Du, bei uns war auch nicht alles toll – es gab auch ganz traurige Sachen, wo wir uns gegenseitig wahrscheinlich bitter enttäuscht haben...nur im Besten Fall wächst man daran. Mhmmmm.

    @Geschichtenerzähler: Ich hätte es nicht besser sagen können. Dem ist nichts hinzu zufügen :)

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  15. Wohl wahr. Alles schlechte hat was gutes, sei es die Erfahrung die man mitnimmt und sich selbst ein Stück näherzukommen ist einiges Wert.

    Was ist, wenn die Fragen um längen wichtiger sind als die Antworten es je sein können?

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  16. mausi... man sollte erstmal aufhoeren sich daran zu erinnern wie viele tage es sind...
    es ist schoen gewesen. es war schoen. es ist nun aber vorbei. klar die erinnerungen wird die keiner nehmen. aber die vergangenheit ist schon weg. mach es dir nicht schwer. ich habe mein Emotionenanzug abgelegt. ich habe meinen ex worwortlich verbrannt. alle bilder verbrannt. bis auf die wo ich zu gut aussah. ich habe ihn ausgeschnitten... lol...
    meine erste grosse mega liebe, die mich eigentlich heiraten wollte aber nie dazu kam weil mich sitzen lassen einfacher war... seine briefe habe ich nach eber 10 jahren weggeworfern. es hat sich gut angefuehlt.
    die liebesbriefe als ich 18 war...die sind auch weg.
    nimmt doch nur platz und erzeug unnoetigen sentiment. und falls dich dann einmal dein neuer macker die briefe lesen sieht, wird er es auch nicht doll finden.
    nun, schwer zu sagen: jeder hat so eigenen weg damit fertig zu werden.
    ich sage: konsequent und radikal wenn noetig :-)
    ich lieb dich
    evchen

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  17. PS:
    ich hoffe fakt dass er zu schlecht aussah, hat dir geholfen..
    *gemeines grins*
    e

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  18. @Arnoc: Die Erfahrungen und Begegnungen formen uns, richtig.
    Ich denke, die Frage „Wer bin ich?“ stellt sich jeder irgendwann einmal...die Beantwortung derselbigen ist schon schwieriger, da man feststellt, dass man sich oft einfach nur über das definiert was man hat sprich Erfolg, Job, Geld, Freunde, Familie, Partner, etc. ...das kann den einen oder anderen in eine Sinnkrise stürzen. Solche Fragen sind wichtig, allein schon um sich regelmäßig selbst zu überprüfen und sich weiterzuentwickeln bzw. Dinge zu adaptieren oder sich davon zu lösen...nur grade dazu sind die Antworten wichtig, man muss sich selbst reflektieren und erkennen können – sonst führt es zu nichts.

    @Eva: “Durchschnittlich die Hälfte der Beziehungsdauer dauert es, bis man über eine Trennung hinweg ist” (Sex and the City ;))

    +lach+ Der Fakt tat im ersten Moment gut, im zweiten war es unwichtig. Klar mich hat's erstmal durcheinander gewirbelt, weil ich damit einfach nicht gerechnet hatte, nur habe ich bei der Begegnung für mich auch festgestellt, dass ich damit durch bin. Wie Du sagst, es WAR.
    Ich machs mir auch nicht schwer, zähle Tage oder erinnere mich absichtlich – gar nicht. DdA ist Geschichte. Ich wünsche ihm das Beste für seine Zukunft und gut ist. Nicht mehr und nicht weniger. +schmunzel+ Ich habe auch nicht vor mir die Fotos oder Briefe in regelmäßigen Abständen anzuschauen...ich habe nicht mal jetzt einen Brief gelesen. Hatte ich gar kein Verlangen danach. Beim Rausschneiden musst Du mir dann irgendwann mal helfen +lach+ - das sind verdammt viele Fotos ;)
    Was hast Du mit Mannis Sachen gemacht? Entsorgt?
    Meine Konsequenz kennst Du , was Männer angeht :) - einmal vorbei, immer vorbei.
    Dicken Kuss

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Ein Hinweis. Ein Blog gehört nur dem Schreiber und ist für ihn der Ort, um alles abzuladen - egal ob nichtssagend, reflektiert, unreflektiert, gewichtig, emotional, scheisse oder sonst was. Ein Blog ist auch ein bisschen als Zugang zu den Gedanken eines Menschen zu sehen, d.h. es ist ein Privileg mitlesen zu dürfen.