Montag, Mai 26, 2025

bleiben.

Heute Morgen auf dem Weg zur Arbeit habe ich über "Schmerz" nachgedacht. Über den, den wir im Laufe unseres Lebens erleben. In Wellen, in Stichen, in leisen Momenten. Schmerz, der sich manchmal in den Alltag schleicht, manchmal laut da ist, einen völlig umhaut und manchmal einfach nur sehr schwer auf der Brust sitzt, ohne sich erklären zu müssen. Ich habe im Laufe der Jahre erst verstanden, wie tief Schmerz sitzen und wie vielschichtig er sein kann. 

Ich erinnere mich an Momente, in denen ich temporär nicht mehr fähig war zu atmen und mich einfach nur auf die Straße legen und sterben wollte. Ich wollte das es aufhört. Ich wollte und konnte das nicht fühlen. Mich nicht damit auseinandersetzen. Ich musste erst lernen, Schmerz überhaupt zuzulassen. Lange Zeit war funktionieren einfacher. Sich ablenken, unermüdlich arbeiten, weitermachen, alles unter Kontrolle behalten. Aber irgendwann reicht das nicht mehr. Irgendwann meldet sich das, was wir nicht fühlen wollten. Und wenn es kommt, dann nimmt es mir manchmal die Luft. Es sitzt schwer auf meinen Schultern. Und trotzdem – es gehört zu mir. Zu dem, was war. Zu dem, was fehlt.

Mit dem Tod meiner Oma habe ich eine neue Qualität des Schmerzes kennengelernt, die ich noch nicht kannte und ich spüre diesen Schmerz besonders deutlich. Wenn eine Konstante Deines Lebens stirbt, klafft dort ein riesiges Loch. Es gibt so viele Dinge, die sich gerade verändern, so viele Umbrüche, so viel Unsicherheit – und sie fehlt. Nicht, weil sie immer die perfekten Antworten hatte. Sondern weil sie mir diese ruhige, fast unerschütterliche Form von Vertrauen gegeben hat, die ich selbst manchmal nicht aufbringen kann. Sie war da. Immer. Und ihr Blick hat mir gesagt: „Kind, du schaffst das. Du musst nur weitergehen!“ Wie oft hat Sie meine Hand dabei gehalten. Letzte Woche hat mich jemand aus meiner Vergangenheit gefragt, was in der Zwischenzeit passiert ist und ich habe es zum ersten Mal seit Langem ausgesprochen: Sie ist tot. Der Satz kam, und mit ihm eine Welle. Der Schmerz war plötzlich da – groß, dicht, überrollend.

Ich übe mich darin, nicht mehr wegzulaufen oder auszuweichen. Den Schmerz in meinem Leben nicht mehr zu übergehen, nicht kleinzureden. Sondern ihn da sein zu lassen. Als Teil von mir. Als Teil dieser Geschichte, die mich trägt, auch wenn sie manchmal weh tut. Vielleicht ist genau das der mutigste Schritt: einfach dazubleiben. Das auszuhalten. Im Gefühl. In der Verbindung. Und auch in der Erinnerung. Das ist das, was Du mir beigebracht und vorgelebt hast. 

Dienstag, Mai 20, 2025

raum.

Zwei Menschen betreten einen Raum. Es gibt kein bestimmtes Ziel, keinen Vertrag, keine Bedienungsanleitung und keinen Notausgang. Ich bringe Angst mit, er Vertrauen. Ich werfe mit Fragen, er fängt sie mit offenen Händen. Ich teste Grenzen, er nennt es Herausforderung. Er balzt, ich kontere – manchmal einfach mit einem Augenrollen. Dann ist da diese Art von Stille, die Platz schafft. Raum für Nähe, die kein Tempolimit kennt. Und irgendwo dazwischen erzählen wir uns die Dinge, die sonst keiner sehen darf. Die guten, die kaputten und die mit der Aufschrift „Vorsicht, kann bei Berührung explodieren“. Und es passiert etwas, das sich nicht benennen lässt, aber seltsam richtig anfühlt. Leicht und im Flow. 

Es fühlt sich an wie ein System, das sich selbst austariert und gefunden hat. Wie ein Spiel, das keiner gewinnen muss, weil beide freiwillig mitspielen und bleiben. Ohne Agenda. Ohne Druck. Nur zwei Menschen, die sich gegenseitig aufmachen. Wort für Wort, Bild für Bild, Kuss für Kuss, Hemdknopf für Hemdknopf. 

Donnerstag, Mai 15, 2025

nulllinie.

Es gab eine Zeit, da war ich richtig effizient und habe meine Gefühle abgestellt. Ich wollte diesen ganzen Stress mit zwischenmenschlicher Kommunikation - insbesondere diesen emotionalen Tanz zwischen Mann und Frau - aus meinem Leben herausschneiden. Das Resultat: Ich war innerlich tot. Ich habe überhaupt nichts mehr gefühlt. Ich habe niemanden in mein Herz und Leben gelassen. Ich hatte nicht nur den ganzen Stress ausgeschaltet und weggeschnitten, sondern mein komplettes Herz weggesperrt. Keine Aufs, keine Abs. Emotionaler Ruhepuls von null. Und dann kam da unerwartet jemand um die Ecke und setzte sich dazu. Ohne Drama. Ohne Druck. Einfach da. Auf Augenhöhe. Einer, der Fragen stellt, statt Spielchen zu spielen. Und ich? Ich merke: Ich bin offenbar doch nicht innerlich tot. Und plötzlich fühlt es sich nicht mehr wie ein Risiko an – sondern wie eine ziemlich gute Idee.

Dienstag, Mai 06, 2025

türen.

Ein Satz, den meine Oma irgendwann mal zu mir gesagt hat, als ich dabei war, mein Innen und Aussen zu sortieren während der Boden temporär wackelig war: "Nutze Deine Sprache wie eine Tür und nicht wie einen Zaun!" 

Das ist mir heute wieder eingefallen. Ich hatte es völlig vergessen. Wie klug sie war. Sie fehlt mir sehr. 

Sonntag, Mai 04, 2025

veränderung.

Heute morgen habe ich vor meinem Visionboard in Größe A1 für 2025 gestanden. Einfach so. Mit Tee in der einen Hand, Schlaf im Gesicht und Gedanken, die irgendwie noch barfuß unterwegs waren. Und plötzlich hat’s gekribbelt – dieses leise, eindringliche Kribbeln, das sagt: Du bist weiter, als du dachtest. Manchmal übersieht man gern die kleinen Schritte, weil man auf das große Ziel starrt wie auf einen viel zu hellen Punkt am Horizont. Dabei hat sich still und heimlich so viel verschoben. Innen. Außen. Alles ist irgendwie in Bewegung. Ich hab’s nur noch nicht ganz realisiert.

Seit ein paar Jahren mache ich nun diese Boards. Mit Schere, Kleber, Bildern, Worten. Wünschen. Richtungen. Gefühlen. Und jedes einzelne Mal, fast unheimlich zuverlässig, ist das, was da hängt, später Teil meiner Realität geworden. Nicht über Nacht. Aber über Herz, Mut, Tränen, Entscheidungen. Über Zeit. Ich liebe dieses Ritual. Jedes Jahr zwischen den Tagen vor Silvester. Mittlerweile ist es fester Bestandteil. 

Und dieses Jahr? Dieses Jahr hat es besonders in sich. Hochs und Tiefs wie eine Herzlinie nach einem Sprint. Phasen, in denen ich nicht wusste, wo oben ist. Und andere, in denen ich dachte: So fühlt sich Kraft an. Und Richtung. Und das ganz ohne Kompass. Alles wackelt manchmal, auch ich. Aber wenn ich auf dieses Board schaue, dann sehe ich nicht nur Bilder. Ich sehe mich. Und wie weit ich schon gekommen bin.

Vielleicht ist das das schönste Gefühl überhaupt: zu merken, dass man sich selbst nicht verloren hat – auch wenn sich gerade alles verändert.

Samstag, Mai 03, 2025

stolpern.

Manchmal sitzt man jemandem gegenüber und realisiert, dass man sieben Jahre lang ganz gut darin geworden ist zu funktionieren – aber nicht mehr weiß, wie man sich öffnet und wie Nähe eigentlich geht. Und während der andere spricht, lacht, erzählt, versucht, Pausen zu füllen, sitzt man da und denkt: Bitte nimm das nicht persönlich. Ich bin einfach gerade völlig überfordert. Nicht von Dir. Sondern von allem, was dieser Moment mit mir macht.

Und vielleicht war ich überhaupt nicht souverän. Nicht locker und leicht wie sonst. Nicht besonders charmant. Aber ich war da. Mit allem, was ich in dem Moment hatte. Ich wollte nicht stolpern.

Donnerstag, Mai 01, 2025

zen.

Irgendwas zwischen 120er Puls, Herzinfarkt, kontrolliertem Atmen in eine Papiertüte und völliger innerer Zen-Ruhe. Mein Nervensystem tanzt Rumba und ich stehe daneben und klatsche höflich mit. Ich habe alles voll im Griff. Vertraut mir!