"Wann hast Du morgen Feierabend? Warte vor der Firma, ich hol Dich ab! Zum Spanier ist es ein schöner Spaziergang ...achso und Stefan, ein alter Studienkollege kommt übrigens mit. Ihr werdet euch mögen, da bin ich sicher." sprach mein ehemaliger Kollege & enger schwuler Freund ins Telefon und legte, eh ich Einwände erheben konnte, auf.
Es war ein wunderschöner, warmer, sonniger Samstagnachmittag im Herbst als die Jungs mir entgegen kamen. Max umarmte & busselte mich (wie immer) als hätten wir uns mindestens(!!!) 10 Jahre nicht gesehen und stellte mir freudestrahlend seinen Studienfreund vor. STEFAN - Ende 20, ca. 1,90m, äußerst attraktiv wie sportlich, Muskeln an den richtigen Stellen, dunkelblond, leuchtende Augen, tolle Zähne und ein Lächeln zum Niederknien mit sympathischen Grübchen. Ein Mann nach dem sich Frauen alle zehn Finger lecken. Und ich konnte ihn nicht leiden. Dass er auch noch intelligent, charmant, aufmerksam, witzig und angenehm schlagfertig war, machte es nicht besser. So ein blöder, eingebildeter Sunnyboy. Während des Essens unterhielten wir drei uns ziemlich gut, lachten viel und schmissen Spitzen, die souverän gekontert wurden. Ich weiß nicht mehr, was ich gesagt habe, aber irgendwann auf der Straße meinte er:
"Dir muss einfach mal jemand den Po versohlen.", packte und warf mich unter Protest über seine Schulter, als hätte er die vergangenen Jahre täglich ausschließlich schwere Mehlsäcke geschleppt. Und lief so entspannt weiter die Straße entlang - ich kopfüber zappelnd, diskutierend & schimpfend. Wenn ich eins hasse, dann wenn mich jemand hochhebt oder trägt. Das war der Beginn einer wunderbaren Freundschaft.
Von da an trafen wir uns regelmäßig - auch zu zweit. Versackten bis zum morgendlichen Rauswurf in Bars, gingen ins Kino, Inline skaten, shoppen, essen, kochten, grillten, feierten, redeten ganze Nächte durch und starrten gemeinsam aufs Wasser oder in den Himmel. Er rief mich auch nachts an, wenn er jemanden zum Reden brauchte, erzählte mir von seiner vergangenen großen Liebe, seinen Geheimnissen, Ängsten und hörte mir jederzeit wortlos zu. Stefan zeigte mir wie man segelt und oft lagen wir stundenlang auf dem Boot in der Sonne, träumten und ließen uns von Wind & Wasser treiben. Er war da als ich Affairen begann & beendete, mich letztlich von meinem damaligen Freund trennte und mich an einem We im Mai am See schließlich in meinen Ex verliebte. Er schlief nach dieser exessiven Grillparty am See mit meiner besten Freundin. Er machte mir kalte Nackenwickel, wenn ich mal wieder Nasenbluten hatte. Er respektierte meinen Freund, auch wenn er der Meinung war, dass dieser mich nicht dauerhaft glücklich machen wird und diesen nicht sonderlich mochte, was (warum auch immer) auf Gegenseitigkeit beruhte. Wir schliefen Arm in Arm in einem Bett, weil ich mich allein im Haus am See fürchtete. Er küsste mich in dieser Nacht auf die Stirn und rührte mich aber sonst nicht an, wovor ich mich insgeheim gefürchtet hatte, weil ich nicht sicher wusste, was ich dann getan hätte. Er war da als ich Berlin, um die Fernbeziehung zu beenden, für einige Zeit verließ und nach zwei Jahren mit meinem Freund im Gepäck wiederkam.
Und Ende 2006 stand er eines Tages vor mir, nahm mich in den Arm und sagte:
"Es tut mir leid, ich kann nicht länger Dein bester Freund sein. Du bist glücklich, das ist das Wichtigste für mich. Ich habe meine Chance verpasst und muss endlich aufhören auf Dich zu warten, nur das kann ich so nicht." und beendete unsere vierjährige Freundschaft. Auch wenn dieser Cut schwer & schmerzhaft war, habe ich ihn für diese Konsequenz stets bewundert und diesen Schritt respektiert. Aber es ändert nichts daran, dass er mir auch heute noch manchmal sehr fehlt und ich kurz davor bin seine Nummer zu wählen.