Montag, Oktober 20, 2008

Tod am Hindukusch

Nervennahrung Kaiserschmarrn und Sport bis zum Erbrechen, um kurzzeitig aus dem Gedankenkarussell auszusteigen – mäßig erfolgreich.


Zwei deutsche ISAF – Soldaten sind heute bei einem Selbstmordanschlag ums Leben gekommen. Ich bekam die Info zufällig am Rande mit, bevor sie später in den Medien kommuniziert wurde. Die Nachricht ist ein Schlag in die Magengegend und verursacht nach wie vor noch eine Zentimeterdicke Gänsehaut – die Vergangenheit holt mich ein. Lässt mich verweilen in der Erinnerung an das was war.


Die Bundeswehr war fünf Jahre Teil meines Lebens, da mein Ex Soldat ist. Ihn gab es nur im Doppelpack. Er kam frisch von der Offiziersschule als wir uns kennen lernten. Er sagte immer „Du weißt, ich bin Soldat und ich werde mit Sicherheit irgendwann in einen Einsatz gehen müssen.“ ...ich fand diese Vorstellung damals nicht weiter schlimm, habe das erstmal von mir geschoben. Ich betrat Neuland und wusste nicht was es heißt einen Soldaten zum Partner zu haben. Jahre später machte mich das Thema Auslandseinsatz wütend – die Vorstellung Monate ohne ihn und in Sorge zu sein, machte mich hilflos. Er hat sich wie viele andere auch für diesen Beruf entschieden mit allen dazugehörigen Risiken und Aufgaben und er macht diesen Job überaus engagiert mit viel Herzblut. Für mich war es nicht immer leicht, da mir diese Welt „Bundeswehr“ nie vollständig zugänglich war und ich bei Erzählungen manchmal nur den Kopf schütteln konnte. Es ist eine andere – eine eigene Welt. Die Außenwahrnehmung der Alltagswelt der Soldaten ist geprägt von Klischees, Vorurteilen und auch schlichter Unkenntnis. Außenstehende können die psychischen wie physischen Belastungen, die mit einem Auslandseinsatz einhergehen weder für die Soldaten noch für die Angehörigen nachvollziehen.


In den Jahren habe ich großartige Menschen kennen gelernt, die im selben Boot saßen und es sind einige tolle Freundschaften entstanden. Man schlug sich gemeinsam schlaflose Nächte um die Ohren, diskutierte, leistete mentale Aufbauhilfe, hörte einfach nur zu, lachte, scherzte, weinte, holte sich auf den Boden der Tatsachen zurück, ...- man musste sich nicht erklären, keine dummen, unsensiblen Sprüche anhören. Ich habe viel gelernt, bin gewachsen und ich habe Respekt vor den Leistungen der Soldaten. Obwohl mich persönlich seit nun 12 Monaten nichts mehr mit der Bundeswehr verbindet, gehen mir die Anschläge immer noch sehr nahe. Ich weiss, wie die Frauen/ Männer zu Haus sich fühlen, wenn sie die Nachrichten hören und wahnsinnig vor Sorge versuchen nähere, beruhigende Informationen von ihrem Partner zu erlangen. Man denkt in den Momenten sofort an Bekannte und Freunde, die es treffen könnte. Ich habe früher manchmal geträumt, dass es an der Haustür klingelt und sein Kommandeur sowie ein Militärseelsorger betreten davor stehen - ein Albtraum.


Mein tiefes Mitgefühl gilt den Angehörigen der getöteten Soldaten sowie ihren Kameraden, die den Einsatz ohne sie zu Ende bringen müssen. Ich wünsche den Angehörigen, Soldaten und Familien, Frauen und Männern daheim viel Kraft, Unterstützung und Zuversicht in der nächsten Zeit.


Sie waren in Afghanistan, um dort zu helfen, den Frieden zu sichern und wurden bei einem Anschlag getötet. Was bleibt sind Fragen. Ist es nicht eine Illusion zu glauben, man könne mit gutem Willen eine radikale Macht in den Griff bekommen und Frieden schaffen? Ist der Tod der 30 gefallenen Soldaten wirklich erst sinnlos, wenn die Bundesregierung die Bundeswehr aus Afghanistan abziehen würde?


5 Kommentare:

  1. Evo, mir geht es da ähnlich: das Thema BW lässt es einen nicht los.

    Ich habe auch schon Ähnliches geträumt - lange nachdem Andreas ausgeschieden war und ich zucke immer noch zusammen, wenn es zu einer ungewöhnliches Uhrzeit klingelt.

    Ich bin wirklich froh, dass Andreas mittlerweile ausgeschieden ist...auch wenn sein neuer Beruf sicher nicht weniger gefährlich ist...

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  2. Ich glaube kaum, das es eine Illusion ist mit gutem Willen eine radikale Macht in der Griff zu bekommen. Es stellt sich mir nur die Frage, wie äußert man diesen guten Willen ? Gäbe es unsere Bundewehr nicht, dann würden wir von der nächst besten radikalen Macht ins Chaos gestürzt. Daher denke ich der Tod der 30 gefallen Soldaten ist zu keiner Zeit sinnlos gewesen. Sie haben ihr Leben für in meinen Augen erstrebenswerte Ideale gegeben, die jedem Individum Frieden und Freiheit gewährleisten sollen. Ich glaube es bleibt einen auch keine andere Wahl, wenn man diese Ideale zumindest Verteidigen will, selbst zu Waffe zu greifen und dafür zu kämpfen.

    Ich selbst überlege seit geraumer Zeit, ob ich zum Bund gehe. Nur merke ich einmal mehr anhand deines Eintrags, was man seinen Freunden und Verwandten damit antut und vorallem seiner Lebensgefährtin.

    LG Peri

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  3. Am schlimmsten (wenn man das steigern kann) finde ich, dass es wieder zwei Jungs aus Zweibrücken sind. Schlimm zu wissen, dass die beiden und die anderen 28 nicht die letzten sein werden, und schlimm, dass es leider keinen anderen Weg gibt.

    Mir gehts wie dir, man ist durch die aktive Soldatenfrauenzeit wohl bis ans Lebensende sensibilisiert, und fühlt sehr viel stärker mit als zu der Zeit, wo man von allem noch gar keine Ahnung hatte.

    Mein Mitgefühl für die Familien, die Kameraden im Einsatz und die Kameraden in der Heimatkaserne und ihren Angehörigen.

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  4. Habe acht Jahre gedient!
    Und leide ob der Hilflosigkeit der wir alle ausgesetzt sind.
    Weine!

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  5. @schnattersuse: Mhmmm Andreas hat sich einen gefährlichen Beruf ausgesucht...da wirds noch einige schlaflose Nächte geben.

    Will er immer noch Soldat der Reserve werden oder ist es vom Tisch? ...Deine Freude kann ich gut nachvollziehen, mein Strohhalm war auch irgendwann die Tatsache, dass er nicht zwingend BS werden will.

    Telefonklingeln zu ungewöhnlichen Uhrzeiten ist ganz böse, das macht mich immer noch schwer nervös.

    @Peri: Dessen sollte man sich bewusst sein, wenn man längerfristig zur BW will. Es wird/ ist zunehmend eine Einsatzarmee.

    Du solltest Dir in erster Linie überlegen, was Deine Motivation ist...Du bist jung und unabhängig. Ich nehme an Du redest schon von SAZ12 inklusive Studium? Es tut sich bei der BW seit ner Weile einiges im Zuge der Umstrukturierung.

    Können wir uns an anderer Stelle gern mal drüber unterhalten ;)

    @jule: Diese Tatsache finde ich auch so grausam - wirklich schlimm. Ich will mir nicht vorstellen, was in den Kameraden und auch Angehörigen vorgehen muss...es ist ne relativ kleine Kaserne.

    Mhmmm, ich vermute auch, dass das bis ans Lebensende anhält.

    @hans: Diese Hilflosigkeit ist schrecklich...

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