Montag, August 25, 2025

wild.

Es ist verrückt und wild, wie viel ein einzelner Tag manchmal tragen kann. Es gibt diese Sekunden, da fühlt sich alles zu viel an. Du bist richtig traurig, weil ein kleiner haariger Freund plötzlich in Deinen Armen stirbt und nicht mehr da ist. Und vorher triffst Du spontan den Mann, der plötzlich wirklich da ist. „Kiss & Drive“, alles in einer Bewegung. Zwischen Abschied und dieser festen Umarmung, die alles ein bisschen leichter macht. Die Hände leer, das Herz voll. 

Freitag, August 22, 2025

fundament.

Manchmal fühlt es sich an, als würde ich zwischen all dem Lärm plötzlich für Sekunden durchsichtige Haut haben. Alles kommt rein. Alles bleibt kleben. Nichts lässt sich abwaschen. Es ist, als würde ich nachts mit offenen Wunden schlafen und morgens mit neuen Narben aufwachen, von denen niemand weiß. Lose Schrauben im Kopf. Ich, die nie wusste, ob sie reicht, aber immer schon zu viel gefühlt hat. Ich bin nicht sicher, ob ich einfach gelernt habe, nicht mehr so oft nach unten zu schauen. Es ruckelt noch hin und wieder. Alte Zweifel nisten in den Winkeln, wie kleine Tiere, die sich in den Ritzen verkriechen. Wir haben das Fundament nicht gegossen, wir haben es freigelegt, Schicht um Schicht. Alte Geschichten, alte Schmerzen, neue Angst. Und trotzdem, da ist diese Richtung, in die es uns zieht. Nach vorne, zusammen.

Kein Sicherheitsnetz, kein doppelter Boden. Nur zwei, die langsam begreifen, dass Zuhause vielleicht genau das ist: Sich ineinander ausruhen, auch wenn alles andere tobt. Ich will morgens aufwachen und Dich riechen, will Dir zusehen, wie Du kämpfst - gegen alte Muster, gegen diese kleine Stimme im Kopf, die sagt, Du könntest niemals reichen. Aber Du bist da. Und ich – ich bin auch noch da. Vielleicht reicht das.

Donnerstag, August 21, 2025

17Jahre.

17Jahre und es fühlt sich an wie gestern.

Manche Zahlen sind einfach nur Mathe. 17 Jahre, 204 Monate, 6.209 Tage, über fünfzehn Millionen Minuten, in denen sich die Erde einfach weitergedreht hat. Unverschämt eigentlich. So lange schon. Und trotzdem gibt es Momente, da liegt der Schmerz direkt unter der Haut, als hätte ich erst gestern meine Hände auf diese kleinen kalten Händchen gelegt.

Es ist absurd, wie der Alltag weiterflimmert. Windspiele, Vögel, blauer Himmel. Als ob Normalität eine Frage von Licht und Jahreszeiten wäre. Im Kopf läuft aber noch immer dieser alte Film: Der Schock, das Nicht-Begreifen, das Wort “tot” auf Papier, das auch rückwärts nichts anderes wird. Türen, die einfach zufallen. Fenster, die verschlossen bleiben. Eine Luft zum Atmen, die manchmal zu dick, manchmal zu dünn ist. Die Welt will Erklärungen, aber manchmal gibt es keine. Man sitzt da, zählt die Minuten und denkt an Pausbacken und den perfekten, so vertrauten Geruch, der geblieben ist, als alles andere schon weg war. Man denkt an das Leben, das da war und an das, das hätte sein sollen. Es gibt keine Kompensation für verlorene Zukunft, keine Reparatur für eine Endgültigkeit, die alles zerschneidet. Die Brutalität, mit der das Leben einen rausreißt, das kann man nicht abnutzen. Das bleibt.

Ich weiß nicht, ob es tröstet, dass der Schmerz weicher wird. Oder ob es eher erschreckt, dass er nicht vergeht, sondern einfach leiser, tiefer, unmerklich seine Richtung ändert. Und dann gibt es diese Bank, dieses Grab, diese Windmühle, die Du immer wieder gerade rückst, als würdest Du damit irgendetwas wieder ins Lot bringen wollen. Es klappt nicht. Die Erde dreht sich weiter. Und vielleicht, nur vielleicht, sind die Sekunden, die sie braucht, ein kleiner Beweis dafür, dass es noch irgendwas gibt, das bleibt.

Happy Birthday, Leni! Ich denke an Dich. 

Dienstag, August 19, 2025

strudel.

Manchmal ist es wie ein Strudel, der einen ins offene Meer zieht. Da bricht das alte Leben auf, das Neue stürmt herein, alles gleichzeitig. Und dann fehlt plötzlich besonders der Mensch, der immer wusste, wie man gegen den Strom schwimmt. Dann wünscht man sich eine Umarmung, die einen festhält, die alles erdet, was zu groß, zu laut und überraschend schnell geworden ist. Aber irgendwo in all dem Wirbel ist da dieser Punkt, an dem klar wird: Ich gehöre genau hierher, in dieses neue, wilde Leben. Und meine Oma, die fehlt gerade so unheimlich, die lacht irgendwo – ganz sicher – und sagt: "Mach das, Kind! Das ist jetzt Deins."

Montag, August 18, 2025

achillesferse.

Die Untermieterin hat eine Playlist mit dem Titel "If i die, play this!" - gerade entdeckt. 

Sie ist meine Achillesferse. Es gibt Gedanken, die sind wie Glasscherben, die sich einfach nicht aus dem Kopf fischen lassen. Ich würde sterben. Punkt. Diese eine klare Linie, die alles definiert. Vielleicht ist das die dünnste aller Eisschichten, auf denen ich laufe, seit ich Mutter bin. Der Gedanke, wie fragil alles ist. Was dann bleibt, ist kein Trost, keine Philosophie. Nur Atem holen, weitergehen, immer in Bewegung bleiben, weil Stillstand sonst alles überschwemmt. Und manchmal, an Tagen, an denen alles zu viel ist, an denen die Angst größer ist als das Leben, bleibt nur der Griff nach der Hand, die da ist. Weil alles andere sonst alles wäre. Das ist die Sollbruchstelle im System.

Sonntag, August 17, 2025

koordinaten.

Manchmal ist es einfach nur ein Schieben der tektonischen Platten. Nichts, was kracht, kein Beben, das die Welt zum Stehen bringt. Eher dieses leise, schwer greifbare Verschieben unter der Oberfläche. Ein langsames, fast unmerkliches Verrücken der alten Koordinaten, so, dass irgendwann das ganze Kartenmaterial nicht mehr stimmt. Was vorher war, taugt nicht mehr als Maßstab, nicht mal die Wörter lassen sich recyclen. Und plötzlich ist da dieser leise, kaum wahrnehmbare Punkt, an dem Du spürst, dass Du nicht mehr zurückwillst. Kein großer Knall. Aber alles ist anders. Und das reicht schon.

Mittwoch, August 13, 2025

innere freiheit.

Es war nie Gleichgültigkeit. Ich halte nichts fest, nicht weil es mir egal ist, sondern weil meine Hände frei bleiben sollen. Ich habe im Laufe der vergangenen Jahre gelernt, Wer bleiben will, bleibt. Wer gehen will, geht. Ich laufe nicht mehr hinterher. Ich verharre nicht. Ich erzwinge nichts. Die Klarheit kam nicht plötzlich, sondern in kleinen, stillen Momenten, in denen der Kopf ruhig wurde und ich sehen konnte, was ich längst wusste. Und den Weg, den ich dafür gegangen bin.

Ich bin nicht aus Glas. Nicht mehr. Ich breche nicht. Ich atme leichter, seit ich nichts und niemanden kontrollieren muss. Es gibt keine Fesseln, außer denen, die ich mir selbst umgelegt habe. Keine Schuld, kein Mangel, nur das bewusste Wählen von Nähe. Ich wähle. Ich entscheide. Ich bleibe bei mir.

Freiheit schreit nicht. Sie sitzt da. Neben mir. Und sie weiß, ich gehöre zuerst mir.

Montag, August 11, 2025

freiheit.

Ich atme Salz. Nicht, weil das Meer so nah ist, sondern weil etwas in mir den Nebel zerschnitten hat. Kein Sturm, keine Welle, nur Ruhe. Kein Drängen, kein Ziehen. Nur der Wind, der alles ein wenig durcheinander bringt. Ich sehe klarer, wenn nichts laut ist. Plötzlich ist Platz im Kopf, und dieser Platz fühlt sich an wie Freiheit. Die Kälte ist kein Feind, sie ist der Spiegel. Glatt, gnadenlos, einladend. Manchmal will ich mich hineinlegen, um zu sehen, wie lange ich atmen kann, bevor es schmerzt. Doch ich bleibe barfuß im Sand. Schmerz ist längst kein Gegner mehr, er ist meine Landkarte. Eine, die mich nicht zurückhält, sondern rausführt. Vielleicht sortiert sich alles, wenn man einfach stehenbleibt und nicht sofort wieder losrennt. Wenn man den Horizont lange genug anschaut, bis man spürt, dass man selbst Teil davon ist. Vielleicht reicht es, kurz nichts zu müssen. Der Rest… kommt schon. Irgendwie.

Dienstag, August 05, 2025

herzlinie.

Als würde man einmal kurz oben auf die Balustrade klettern, während es links und rechts ziemlich weit runter geht. Manchmal hast Du keine Seile, keinen Gurt, manchmal legst Du die Schuhe ab und damit auch die Bänder, die Gebundenheit, das, was zieht, wenn sich einer von beiden bewegt. Manchmal lässt man den Faden liegen, weil er nicht reicht. Weil er nicht reichen würde für die Schritte, die man gehen muss, und man weiß, dass es immer ein schlimmes Geräusch macht, wenn etwas reißt, weil man so sehr zieht, dass es nicht mehr geht ohne Materialbruch zu erleiden, ohne zu splittern. Man könnte das wagen, den Kraftakt, man könnte dann mit einem ausgefransten Stück Faden weitergehen und gucken und dieses Stück Faden als Alibi benutzen, als Ausrede und als blöden Geist, aber am Ende umarmt man auch dann nur ein Kissen.

Den Faden liegen lassen, bevor er kaputt geht. Sich merken, wo und nach einer Zeit schauen, ob er noch da ist oder ob Witterung schneller war und ihn angefressen hat. Gehen und sich dann erst einmal nicht mehr umdrehen, auch wenn es ein komisches Gefühl ist. Weil Tasche und Faust und Nacken und der Fußraum im Bett so leer sind und man jetzt die Fingernägel in der Handfläche spürt, weil sie jetzt die Lebenslinie berühren seit langer Zeit mal wieder, und die Herzlinie, nur die eigenen Finger in der eigenen Hand. Die Zimmermänner dürfen sich auch nicht umdrehen am Anfang, wenn sie auf Wanderschaft gehen und ihren Heimatort verlassen, man läuft dann eben geradeaus und weiß gar nicht, ob einem nachgeschaut wird, ob da noch jemand steht, weil wenn man sich umdreht und dann ist niemand mehr dort, wird es schwierig, nicht das Gleichgewicht zu verlieren.

Als würde man sich einmal kurz oben auf die Balustrade stellen jetzt, während der Blick vor einem ziemlich weit ist und man gar nicht weiß, wo man anfangen soll hinzusehen, weil sich plötzlich alles bewegt vor einem und in einem. Mitunter wird einem ein bisschen schummerig, weil das lange nicht so war, ganz ohne Geländer und Ränder und Rahmen und in jede Richtung möglich. Wie man sich selbst erst einmal neu justieren muss, Einstellungen vornehmen, gucken, wie man jetzt funktioniert, wie man am Besten auch hier oben auf einem Bein steht ohne umzufallen. Sich einen Schirm kaufen, einen kleinen nur, aber einen Schirm und dann vielleicht hin und wieder für jemanden gehalten werden, der vom Zirkus kommt. Ach meine Güte, wen kümmert das? Das ist keine Choreographie hier oben. Das ist alles andere als ausgedacht, das ist alles, was ich habe.

Und irgendwo im Rücken liegen Fäden herum, ich habe mir eine Karte gemalt, die ist in der Tasche, dort ist es nicht leer, dort kommen bald noch ein paar Kastanien hinzu. Und der Rest ist Orientierung im Raum. Vögel spüren die Luftkräfte an den Federn, weißt Du, und wir, wir haben nur unsere Haut. Deswegen muss man sich in den Wind stellen, oben, ganz weit nach oben direkt hinein.