Sonntag, November 02, 2025

gegenwart.

Ich will mich nicht mehr im damals verlieren. Ich bin im heute schon ziemlich verloren. Ich dachte immer, ich könnte Dich irgendwie ein bisschen länger festhalten, wenn ich viel über Dich schreibe. Ich wollte Dir gerne noch ein bisschen länger über den Kopf streichen, noch ein bisschen länger in Deinen Armen einschlafen - aber das konnte ich nicht. Zumindest nicht mehr anders als mit Worten. Und die Worte, die mir noch blieben, wollte ich nicht loslassen. Also hab ich Texte geschrieben. Und Gedichte. Dir Wort für Wort geschenkt. Dich in meinen Sätzen konserviert, Dich Satz für Satz weitergeatmet. Dich immer tiefer in mich geschrieben. Manchmal Satz für Satz geheult. Aber Worte halten keine Menschen. Sie halten nur den Schmerz in Bewegung. Ich habe Dich in jede Zeile geschrieben, als könnte ich Dich so wieder zusammensetzen. Aber irgendwann verliert selbst Erinnerung die Schärfe.

Manchmal streife ich noch durch Erinnerungen wie durch ein altes Haus. Ich klappere Türen ab, von denen ich längst weiß, dass sie nicht mehr aufgehen. Ich streiche über Sätze wie über Wangen, die nicht mehr warm sind. Ich lege Gedanken in die Stille wie Blumen auf ein Grab. Es war nie einfach mit uns. Da war immer schon viel zu viel drum herum und wir haben es nie auf Dauer geschafft, einfach nur der Mittelpunkt zu sein. Mittlerweile verblassen die Worte vor meinen Augen, wenn ich über Dich schreiben will. Ich kann nicht mehr über das schreiben, was Du bist. Über das, was Du tust. Es bleibt mir nur noch das Präteritum. Jeder meiner Sätze verliert sich in der Vergangenheit. Und ich, ich bin nicht da. Ich bin nicht in der Vergangenheit. Ich bin hier. Und nach all den Worten über Dich, nach all den langen Nächten, in denen Du mir fürchterlich gefehlt hast, nach all den Tagen, an denen ich an nichts anderes denken konnte, als an Dich, möchte ich nicht mehr in die Vergangenheit flüchten.

Sie gibt mir nicht mehr so viel Geborgenheit wie Du es immer konntest. Vielleicht ist es auch das. Ich hab in den Texten über Dich das Gefühl gesucht, das Du mir immer gegeben hast. Und je weiter weg Du rutschst, desto schwieriger wird es für mich, genau dieses Gefühl zu finden. Ich will mich nicht mehr im damals verlieren. Ich bin im heute schon ziemlich verloren. Es ist einfach wahr. Ich bin hier. Und Du bist es nicht mehr, weil Du tot bist. Ich bin noch hier, aber nicht ganz. Weil ein Teil von mir in einem „Früher“ wohnt, das nicht mehr antwortet. Und ein anderer Teil nach vorne schaut, blinzelnd, suchend, taub vor Sehnsucht. Das ist vielleicht die Wahrheit. Nicht, dass es heilt. Sondern dass man lernt, mit der Leerstelle zu leben. Dass Liebe nicht stirbt, sie verlagert sich nur. Man trägt sie weiter. Nicht mehr an der Hand, aber im Herzschlag. Ich weiß, dass Liebe nicht wiederholt, was einmal war. Sie wächst neu, anders, trotzdem. Und manchmal wächst sie still. Heimlich. In einer Gegenwart, die einen wieder berührt. Er ist mein Trotzdem, meine Gegenwart - mein Herz. Und manchmal, wenn ich ihn anschaue, spüre ich etwas, das leiser ist als all der Schmerz, aber stärker als die Erinnerung. Eine neue Verlässlichkeit. Er sieht nicht das, was fehlt, sondern das, was bleibt und trägt. Ich lerne, dass Loslassen nicht bedeutet, weniger zu lieben. Sondern tiefer. Freier. Weiter. Ich trage Dich nicht mehr vor mir her. Ich trage Dich in mir. Und während ich das tue, halte ich jemand anderen an der Hand, als bewusste Entscheidung. Für mich. Für das Leben. Für das Jetzt.

Samstag, November 01, 2025

november.

November. Die Luft fühlt sich schwerer an, dichter, als würde sie sich erinnern. Man geht langsamer, denkt leiser, atmet vorsichtiger. Vielleicht, weil zu viele Namen mitschwingen, die man nicht mehr ruft. Die, die fehlen, haben immer noch ihren Platz, irgendwo zwischen Erinnerung und Gegenwart. Sie sind nicht wirklich weg, eher in einer anderen Frequenz, die man manchmal noch spürt, wenn es still genug ist. Besondere Menschen fehlen. Nicht laut, aber tief. Manchmal ist es ein Geruch, der mir begegnet, manchmal ein Satz, den sie gesagt hätten, manchmal nur dieses Gefühl von Verlässlichkeit, das ich nur noch schwer finde. Man sagt, die Zeit heilt, aber vielleicht stimmt das nicht. Vielleicht macht sie nur Platz für den Schmerz, damit er sich hinsetzen kann, leiser wird, aber bleibt. Heute ist einer dieser Tage, an denen man spürt, dass Liebe nichts löst, sie bleibt einfach. Auch wenn niemand mehr antwortet.