Freitag, November 21, 2025

herzöffner.

Patchwork beginnt selten mit einem Plan. Eher mit einem Moment, der wirkt, als hätte jemand vergessen, das Universum vorher zu informieren. Da steht plötzlich die Untermieterin ungeplant mittags vor einem Restaurant, schulterzuckend, selbstbewusst, als wäre es vollkommen normal, die letzte Stunde Schule einfach mal spontan ausfallen zu lassen, weil man dringend herausfinden muss, wie dieser neue Mensch ins eigene Leben passt. Kein großes Drama, keine Inszenierung. Nur dieser Blick: Hier bin ich. Und nun mal sehen, ob Du damit umgehen kannst. Ich glaube, ich war angespannter und überraschter als alle zusammen, weil ich so gar keinen Plan & keine Ahnung von Patchwork hatte. Erstaunlich, wie viel Wahrheit in solchen Zufällen steckt. Wie viel Mut. Wie viel ungeschöntes „Das bin ich“. Und dann sitzt man da zu dritt, und es wirkt nicht wie ein Test, sondern eher wie eine Improvisationsprobe, bei der alle intuitiv denselben Rhythmus finden. Keiner versucht, perfekt zu sein. Keiner gibt sich besonders pädagogisch. Da ist einfach nur Platz - am Tisch, im Gespräch, im System. Und das Kind nimmt ihn ein, so natürlich, wie Kinder das eben tun, wenn sie spüren, dass jemand kein Theater daraus macht. Und er hat das so gut gemacht, dass man fast vergessen könnte, dass Patchwork eigentlich eine Disziplin ist, für die die meisten Erwachsenen erst ein Handbuch brauchen. Er hat nicht gezuckt, nicht irritiert geschaut, nicht versucht, pädagogisch klug zu wirken. Er hat einfach Platz gemacht. Nicht nur am Tisch.

Hier war es einfach. Ein Teenie, ein Mann, ein Mittagessen. Und eine Szene, die gezeigt hat, das hier könnte funktionieren. Vielleicht gerade weil keiner versucht hat, es besonders richtig zu machen. Vielleicht ist genau das der Trick an Patchwork. Nicht diese großen Erklärungen. Nicht die Strategien. Nicht die heroischen Gesten. Sondern dieses leise, unspektakuläre Sich-Fügen. Dieses unprätentiöse:„Komm, wir probieren mal, wie sich das anfühlt.“ Und manchmal fühlt es sich überraschend richtig an. Genau deshalb. Schon irre. Es ist so viel besser, als ich es mir hätte wünschen können und jemals vorgestellt habe. Zwei Monks, dass passt wie Arsch auf Eimer. Ich liebe absolut alles daran. Ich gucke da drauf und denke mir nur, F*ck, was bin ich für ein verdammtes Glückskind? Ich bin dankbar. 

Mittwoch, November 19, 2025

landkarte.

Mein Nervensystem trägt eine Landkarte, die ich weder ausgesucht noch selbst gezeichnet habe. Linien, die nicht aus Entscheidungen bestehen, sondern aus Momenten, die zu schnell, zu laut, zu nah waren. Karten, die nicht nach Norden zeigen, sondern nach damals. Manchmal berühre ich sie nur im Vorbeigehen. Ein Geräusch, ein Schritt, ein Geruch, ein Blick zu viel und plötzlich faltet sich ein unsichtbares Terrain in mir auf. Keine Erinnerung, eher ein Beben unter der Haut. Als würde irgendwo tief drinnen eine alte Sirene anspringen. Diese Landkarte ist seltsam. Sie zeigt Schluchten, in die ich nie wieder steigen will, und Wege, die ich nur im Kopf renne, während mein Körper still bleibt. Und doch begleitet sie mich. Nicht als Geschichte, sondern als feine, vibrierende Linien, die manchmal leuchten, wenn Fremdes zu nah kommt. Ich navigiere sie geübt. Ich erkenne, wann der Boden unter mir dünner wird, wann ein Schatten zu lang ist, wann die Luft plötzlich zu schwer atmet. Ich weiß, wie man stehen bleibt, wie man weitergeht, wie man die eigene Hand im Dunkeln wiederfindet. Es ist meine Karte, auch wenn sich sie nicht gewählt habe. Und ich lerne nach wie vor, darauf Wege zu zeichnen, die nicht aus Angst entstehen, sondern aus mir selbst.

Dienstag, November 18, 2025

100!

Es ist Zeit für eine La-Ola-Welle. Machen Sie sich bereit! Dies ist nämlich der hundertste - in Zahlen 100(!) - Post im Jahr 2025. Konfettibombe!!! Ich war nie sicher, ob ich tatsächlich nochmal zurückkommen werde. Ich mochte die Welt des Micro-Bloggens ganz gern die vergangenen Jahre und habe sonst nur noch für mich geschrieben. Ich muss sagen, es macht wieder Bock und ist mittlerweile wie früher, ein Automatismus. Und selbst die Reichweite kommt wieder. Das ist spannend. 

Vor über 10Jahren hat der Ex mal pro Forma die Domain "Frau Eiskalt" für mich gekauft. Und als wir vorhin beim Essen zufällig nebeneinander gesessen haben, fragte ich ihn, ob die immer noch in seinem Besitz ist. Ist sie. Er richtet sie mir jetzt auf einem der Server ein und dann überlege ich endlich zu Wordpress umzuziehen, da hier bei Blogger viele Funktionen gar nicht mehr existieren. Könnte ein schönes Weihnachtsprojekt zwischen den Tagen werden. Mal schauen, wie weit meine Geduld dann final dafür reicht. Es ist auf jeden Fall schön, wieder hier zu sein. Willkommen zurück! Genießen wir einen Moment die Zahl 100!

Sonntag, November 16, 2025

adventsstimmung.

Freitag haben wir uns köstlich über Pärchen-Adventskalender und Weihnachtsgeschenke amüsiert. Ich sage nur: WMF. Wir haben so gelacht, dass der Bauch weh tat. Ich stand damals daneben, als ein Mixer im Karton übers Auto flog – vor Wut, weil sie noch ein Küchengerät bekam, das sie nicht wollte. Letztes Jahr gab es Retour einen Bräter und fancy Schneebesen im Überformat. Die Begeisterung war auch Freitag noch gut spürbar. Ich lieb die beiden. Ich selbst habe 2004 ein Küchengerät geschenkt bekommen. Jahre später habe ich es originalverpackt beim Auszug wieder zurückgegeben. Ich benutze bis heute das Aldi-Rührgerät für 7,99 € aus dem Jahr 2003. Es rührt verlässlich, will keine Kunststückchen machen und fordert keine Aufmerksamkeit. Reicht.

Das Kind bekommt seit immer einen selbstgefüllten Kalender. Das ist ein Ritual. Ich glaube, seit sie drei ist. Die ersten zwei Jahre hatte sie nachts ehrfürchtig Angst, einem Wichtel auf dem Weg zum Klo zu begegnen, der ihren Kalender kontrolliert. Deshalb hat sie im Dezember oft vorsichtshalber bei mir geschlafen. Es war aber auch der einzige Monat, in dem sie morgens schneller aufstand, als ich gucken konnte. Dieses Jahr findet sie einen gekauften Krimi-Kalender völlig okay. Den selbstgefüllten bekommt sie trotzdem, weiß sie aber nicht. Liegt bereits alles im Schrank, ich freue mich aufs Packen und Hübsch machen. Ich kenne es nicht anders. Bei uns gab es früher auch immer einen Selbstgefüllten. Ich mochte keine Vollmilch-Schokolade und damit waren die käuflichen Kalender damals raus. Erst 24 gebastelte kleine Papierkästchen von meiner Mutter, später einen Jutekalender. Ich fand das immer großartig. Ich glaube, ich habe den bekommen, bis ich ungefähr 25 war. Heute dürfen die Enkelkinder immer die Kalender-Säckchen an der Girlande im Flur öffnen bei meinen Eltern.

Mit dem Ex haben wir uns einen eigenen Kalender geteilt – jeder zwölf Türchen. Er die geraden Tage, ich die ungeraden. Ein klasse Konzept. Hat gut funktioniert, bis er es irgendwann vergessen hat. Danach gab es jetzt acht Jahre lang gar nichts mehr in die Richtung. Nun ist alles neu. Als die Untermieterin letzte Woche fragte, ob wir uns dieses Jahr denn gegenseitig Kalender machen würden, habe ich den kurzen Moment Panik in seinen Augen gesehen. Ich musste trotzdem lachen. Ich hab's gefühlt. Ich hatte bis dahin noch gar nicht darüber nachgedacht, ich war gedanklich noch nicht so weit, dass wir uns auf Weihnachten zubewegen. Der Dezember kommt jedes Jahr trotz allem sehr überraschend und Adventsstimmung ist bei mir bislang nicht aufgetaucht. Wie auch bei dem Stress ringsum.

Trotzdem: Es ist der 16.11.2025 und ich habe tatsächlich die ersten Weihnachtsgeschenke. Inhalte für zwei Kalender. Postkartenkalender für die Besten und meine Eltern. Kleine Überraschungen & Gutscheine fürs Team, weil wir unsere Weihnachtsfeier vorletzten Freitag spontan vier(!) Wochen nach vorne verlegen mussten. Wegen Terminhuddel. Es fehlen noch die persönlichen Briefe, die schreibe ich morgen. Ich bin erstaunlich gut in der Zeit. Da kann man ruhig mal klatschen!

Bleibt nur die Frage: Was schenkt man einem Vater, der alles hat und schon immer echt schwer zu beschenken ist? Ich kann ihm doch nicht jedes Jahr Baumarktgutscheine & fancy Biere aus aller Welt schenken. Geburtstage ab Mitte November und im Dezember gehören grundsätzlich verboten!

Samstag, November 15, 2025

dunkelheit.

Ich lag da, wach bis drei, als würde mein Körper noch immer nachschwingen von dem, was gestern aufgebrochen ist. Alles war so dicht. Zu roh. Zu nah. Zu laut. Ich konnte meinen eigenen Herzschlag hören, als hätte jemand mein Nervensystem auf maximale Lautstärke gedreht. Schlaf funktioniert nicht, wenn innen drin etwas nacharbeitet. Wenn die Bilder, die Worte, die Erinnerungen immer wieder hochspülen, unerbittlich. Wie Wasser, das zurückkommt, obwohl man es längst weggeschoben hat. Vielleicht ist das der Preis dafür, wenn man endlich anfängt, Türen zu öffnen, die man jahrelang zugelassen hat. Man spürt es nicht nur in der Stunde, sondern danach, im Dunkeln, wenn niemand zuhört und nichts leiser werden will. Allein schlafen ist gerade schwer, weil mein Nervensystem neben jemandem, den ich liebe, runterfährt, während es allein weiterläuft, als müsste es etwas bewachen. Als wäre Stille und Dunkelheit gefährlich, obwohl sie es nicht ist. Ich habe gestern verstanden, dass ich nicht dagegen ankämpfen soll. Dass man einen aufgewühlten See nicht mit den bloßen Händen glättet. Dass dieses Nachzittern normal ist. Ich habe versucht, es nicht wegzudrücken. Einfach dazuliegen, zu atmen, abzuwarten, bis der Körper merkt, dass nichts Bedrohliches passiert. Hat gedauert. Die Nacht war lang. Zäh. Hell, obwohl sie dunkel war. Der Schlaf kam irgendwann, aber eher aus Erschöpfung. Und heute fühlt es sich an, als hätte ich gar nicht richtig geschlafen. Wahrscheinlich ist das normal, wenn etwas in Bewegung gekommen ist und braucht noch einige Zeit bis alles wieder leiser wird. Bis dahin: weiteratmen und aushalten. Mehr kann ich nicht tun.

Freitag, November 14, 2025

was bleibt, wenn alles fällt?

Der Tag hat mir die Luft aus der Brust gedrückt. Im wahrsten Sinne des Wortes. Ich habe geweint, lange, ohne mich zusammenzureißen. Sie sagt: Lass es zu. Hör auf, dagegen anzukämpfen. Man kann einen Wasserball nicht unter Wasser halten, ohne das er einem immer wieder ins Gesicht knallt. Und ja, sie hat recht. Wahrscheinlich bin ich deutlich besser im Erkennen als im Zulassen. Sie meint, ich hätte eine hervorragende Therapeutin abgegeben. Vielleicht, weil ich weiß, wie man durch Schutt geht und Dinge wieder neu zusammensetzt, ohne unterwegs liegenzubleiben.

Später habe ich ins Telefon geweint. Nur Atmen und Tränen. Und am anderen Ende jemand, der das ausgehalten hat. Einfach geblieben. Keine großen Worte, nur dieses ruhige „Wir schaffen das gemeinsam“. Nicht als Versprechen. Eher wie eine Feststellung, die schon existiert. Und genau das hat getragen. Mehr muss es manchmal nicht sein.

16:45 Uhr, Freitag, meine Wimperntusche hängt auf Halbacht - irgendwas zwischen Panda und Unfall. Egal. Der Abend wird es richten. Mädelsabend. Wir schließen uns nach Ladenschluss im Möbelhaus ein. Nicht ganz so glamourös wie ein Modegeschäft - man kann Möbel schlecht unbemerkt einstecken, aber ich wollte das schon immer mal machen. Wir werden Essen besorgen. Das Bier steht kalt. Türen zu, Welt aus.

Reicht für heute.

Donnerstag, November 13, 2025

vorbereitung.

Ich war jetzt zwei Stunden auf der Matte, nicht um mich zu verbessern, sondern um mich zu finden und nicht wegzurutschen. Um meine Gedanken zu ordnen, bevor sie mich überholen. Um den Lärm aus meinem Kopf zu atmen und das Zittern unter meiner Haut zu beruhigen. Morgen geht es weiter, tiefer, dahin, wo nichts mehr höflich formuliert ist. Wo man nicht mehr schiebt, nicht mehr verdrängt, wo alte Dinge wieder auftauchen und man stehen bleibt, statt weiter zu rennen. Das Aufbrechen beginnt. Ein vorsichtiges, manchmal brutales Umstellen der inneren Möbel, die man jahrelang nicht angerührt hat. Vorbereitung darauf ist kein Ritual, sondern ein Rückzug. Ein Liegen in der eigenen Wahrheit. Yoga hilft, nicht weil es leicht ist, sondern weil es mich zwingt in meinem eigenen Körper und Kopf zu bleiben, nicht wegzulaufen. Ich bin stiller heute, nicht schwächer. Nur näher an dem Teil in mir, der morgen viel Mut brauchen wird und sprechen muss.

sehnsuchtsort.

Ich habe schlecht geschlafen. So richtig schlecht. Fühlt sich an, als wäre ein Bus über mich drüber gefahren. Mehrfach. Zwischen zwei Wachphasen habe ich angefangen, Ferienhäuser in Dänemark anzuschauen. Einfach so. Weil das Kind am Wochenende erklärt hat, das sei ihr Sehnsuchtsort und sie nächsten Sommer doch wieder am liebsten dorthin möchte. Nachdem sie auf der Rückfahrt dieses Jahr meinte, wir hätten das Land nun erstmal durchgespielt. Und irgendwas daran hat sich richtig angefühlt. Ein kleines gemütliches Haus am Meer. Grau, Wind, Wellen. Ein Tuborg Grøn in der Hand, salzige Luft. Diese fantastischen Farben des Himmels vor Augen. Kein Plan, kein Lärm, wenig Menschen, kein müssen. Nur dieses Rauschen, das alles ein bisschen kleiner macht und gleichzeitig größer. Vielleicht ist das der Punkt, zu merken, dass Ruhe manchmal nicht Schlaf bedeutet, sondern einen Ort. Einen Gedanken, der bleibt. Eine Sehnsucht nach dem Meer.

Mein Sehnsuchtsort ist noch nördlicher. In den Highlands. Ich habs so geliebt. Das hat echt etwas mit mir gemacht und mich tief beeindruckt.

Mittwoch, November 12, 2025

rekapitulation.

Als ich das letzte Mal an anderer Stelle schrieb: „Erzählt meine Geschichte!“, brach danach ein Vulkan aus. Nicht sofort. Erst leise. Dann spürbar. Es hat mich ziemlich durchgeschüttelt. Ich erinnere mich an dieses Gefühl, in mir selbst still zu werden. Nicht aus Stärke, sondern aus Selbstschutz. Ich wusste, dass ich zuhören würde, wie immer. Dass ich gern verstehen wollte. Was ich gelernt habe in diesem Jahr: Vertrauen ist keine Tür, die man öffnet. Es ist eine Mauer, die man gemeinsam Stein für Stein setzt. Und ja, manchmal bricht ein Stein raus. Aber das heißt nicht, dass alles einstürzt. Ich weiß, es ist nicht das Drama, das entscheidet. Sondern wie man miteinander spricht. Wie man bleibt, wenn es unbequem wird. Und irgendwann, wenn die Lava abkühlt, erkennt man, dass sie nicht nur zerstört hat. Sie hat auch etwas Neues geformt. Etwas Standfesteres. Ruhigeres. Klareres. Näheres. Und dafür bin ich tatsächlich sehr dankbar. 

Dienstag, November 11, 2025

langstrecke.

Manche Geschichten schreiben sich leise. Man redet, lacht, schweigt, zieht sich zurück, kommt wieder näher. Zwei Menschen, die sich immer wieder umkreisen, immer einen Schritt zu früh oder zu spät. Zu nah, um gleichgültig zu sein, zu weit, um es zu begreifen. Immer wieder verfehlt. Man will sich schützen und merkt dann doch, dass genau dieser eine Mensch die größte Ruhe bringt. Bis keiner mehr wegläuft. Manchmal braucht es viel Zeit, um zu verstehen, warum man jemanden nicht losgelassen hat.

Montag, November 10, 2025

überdruck.

Es brodelt. Unter der Haut. Zwischen den Rippen. Der Druck steigt leise, konstant, unbarmherzig. Alles schiebt. Alles fordert. Ich funktioniere, während irgendwo in mir etwas wie verrückt an die Wände schlägt. Manchmal denke ich, ich platze. Es zerreißt mich. Vielleicht ist es die nächste Schicht, die sich löst. Vielleicht muss es raus, bevor es heilen kann. Es knackt im System. Nicht laut. Aber hörbar. Es ist ein System, das versucht, sich selbst zu sortieren. Ich weiß, wie das Spiel funktioniert. Ich bin gut darin. Aber irgendwann wird jedes Ventil schwach. Und das wilde Tier im Käfig rüttelt am Gitter.

Samstag, November 08, 2025

glück?

Ein Kollege sagte die Tage zu mir: „Du wirkst seit einer Weile so glücklich. Und entspannt. Egal, wie sehr die Welt in Flammen steht." Ich musste kurz lachen. Nicht, weil es falsch ist. Sondern weil ich weiß, was es gekostet hat. Glück ist kein Filter, der alles weich zeichnet. Kein Zustand, den man morgens im Badezimmer vorm Spiegel aufträgt. Eher das Gegenteil. Glück, echtes Glück, ist meistens das, was nach dem Sturm bleibt. Nach all den Nächten, in denen man gegen die Wand denkt. Nach den Momenten, in denen man sich selbst zurückholt. Stück für Stück. Ohne Make-up. Nur mit dem, was übrig ist, wenn alles andere abgebrannt ist. Nach Entscheidungen, bei denen einem der Magen flau wird.

Und ja, vielleicht wirke ich entspannt. Vielleicht, weil ich mich nicht mehr zerreiße, um irgendwo reinzupassen. Weil ich nicht mehr bleiben will, wo es eng wird. Vielleicht, weil ich aufgehört habe zu kämpfen, wo ich mich nicht mehr verlieren will. Ich tue das, was mir guttut. Ich liebe den, den ich liebe. Und ich lasse weg, was nicht mehr zu mir gehört. Vielleicht sieht man das. Und vielleicht nennt man das Glück. Ich weiß es nicht. Ich nenne es, angekommen in mir. Und das reicht. Zumindest heute. Morgen sehe ich weiter.

Aber was ist Glück überhaupt? Glück fühlt sich für mich immer ein bisschen an wie ein Vorbeben. Ich traue diesem Wort nicht. Zu hell, zu laut, zu flüchtig. Immer wenn ich Glück spüre, warte ich auf das Gewitter. Vielleicht weil ich gelernt habe, dass Glück oft eine Vorstufe vom Verlust war. Ich glaube an Zufriedenheit. An Klarheit. An tiefe Verbundenheit. An das Gefühl, jemanden nicht nur zu wählen, sondern immer wieder zu wählen. Aber nicht an reines Glück. Er war kein Glück, sondern eine bewusste Entscheidung. Gegen Angst. Gegen Flucht. Gegen alte Muster. Für Nähe. Und das ist keine Glückssache. Das ist echte Arbeit. Und ich finde es so großartig, sehr heilsam und wertvoll. Ich liebe alles daran. 

Mittwoch, November 05, 2025

Guten Morgensex.

Guten Morgensex. Bringt de facto mehr Fokus als Matcha. Mehr Erdung als zehn Minuten Headspace. Und ehrlich gesagt, ist es manchmal das Einzige, was mich davon abhält, jemandem den Kopf abreißen zu wollen. Ich spüre plötzlich keinen Menschenhass und keine Meeting-Aggressionen mehr. Ich werde temporär Team Kuscheldecke. Kein Bedürfnis, jemanden zu feuern, nicht mal mich selbst. Stattdessen bin ich der netteste und ausgeglichenste Mensch - weit und breit - mit so einem breiten seligen Lächeln im Gesicht, dass sich nicht wegwischen lässt. Ich bin grundsätzlich für mehr Guten Morgensex. 

Neurotransmitter sind echte Performer. Die Wissenschaft liefert die Daten. Dopamin hoch, Cortisol runter, Immunsystem happy, Gehirn im Flow. Das Nervensystem sagt danke, mein Tag auch. Ich finde, kein KPI bringt mich so sehr zu mir. Kein Resilienztraining so in die Spur. Guten Morgensex ist eine absolut großartige Idee. Für Klarheit. Verbindung. Und den Weltfrieden. Und zur Not auch für den nächsten Pitch. Vielleicht ist das die wahre Leadership-Strategie. Oxytocin statt Outlook.

Dienstag, November 04, 2025

toolbox.

Sieben Jahre Therapie. Fast ein Jahrzehnt. Unzählige Sitzungen, Fragen, Tränen, Schweigen, Wut, Diskussionen, Erkenntnisse, so viele Worte. Ich dachte, ich hätte mich richtig weit bewegt. Dachte, die Spirale, in der ich mich drehte, sei eine Treppe. Aufwärts. Entwicklung, Wachstum, diese schicken Begriffe. Ich hab sie mir in die Haut geschrieben. Ich kann über meine Muster sprechen wie andere über die Wetterlage. Und jetzt? Stehe ich da. Wieder dieselben Trigger. Dieselben Reaktionen. Dasselbe wilde Herz mit angeschlossener Sirene im Bauch. Nur der Ton ist anders. Tiefer. Sarkastischer. Vielleicht ein bisschen abgeklärter. Vielleicht auch einfach nur müder.

Ich kann es besser analysieren. Ich kann Trigger auseinandernehmen wie ein Uhrwerk, jede Reaktion psychologisch sezieren, jede Dynamik benennen. Ich erkenne das Monster sofort. Aber was bringt’s, wenn es trotzdem wieder knallt, wenn der Körper längst schneller ist als der Verstand? Manchmal stehe ich trotzdem da, wieder mit diesem verficktem Messer in der Brust und frage mich, warum es schon wieder brennt, obwohl ich doch wusste, dass es kommt. Die Spirale ist da. Aber sie ist gar keine Treppe. Sie ist eine scheiß Wendeltreppe. Und manchmal fühlt es sich an, als würde ich ständig am selben Fenster vorbeilaufen und mir selbst zuwinken. Manchmal mit einem Lächeln. Manchmal mit einem Schlag ins Gesicht.

Entwicklung? Klar. Ich kann besser beobachten, wie ich innerlich zusammenbreche. Ich kann reflektieren, wie sehr ich mich gerade entwerte. Ich kann bezeugen, wie alt mein Schmerz ist. Nur, er fühlt sich nicht alt an. Er fühlt sich frisch an. Glühend. Wie neu geboren. Vielleicht ist es einfach ein Kreisverkehr. Oder ein schicker Wartesaal mit Plexiglas und ungespielten Karten auf dem Tisch. Vielleicht war das alles nur Trockenübung. Theorie auf Papier. Jetzt ist Praxis. Realität. Ungefiltert. Jetzt steht da jemand, der wirklich etwas auslöst und all die Tools, die ich so sorgfältig gebaut habe, liegen plötzlich wie Spielzeug in der Ecke. Weil da kein Handbuch greift, wenn das System in Panik geht. Wenn Nähe real ist. Wenn Berührung nicht mehr metaphorisch bleibt.

Sieben Jahre. Und ich stehe immer noch da und frage mich, warum ich denke, dass Liebe verdient werden muss. Und ich weiß es. Und ich kann es sagen. Aber fühlen? Wahrscheinlich war das Ziel nie „fertig sein“, sondern einfach zu erkennen und begreifen, dass ich nicht perfekt funktionieren muss. Dass der Kampf gegen mich selbst der eigentliche Fehler ist. Das hier ist nicht das Ende, sondern endlich der Anfang. Next Level sozusagen. Nur ohne Theorie. Ohne Applaus. 
Das Herz offen. Willkommen zurück auf Los.

Montag, November 03, 2025

alles blöd.

Heute morgen in alten Aufzeichnungen geblättert und darüber gestolpert:

03.11.2014.

Wie lange hält die "alles blöd-Phase" bei Dreijährigen an? Kindergarten - blöd, Kinder - blöd, Amsterdam - blöd, Zug fahren - blöd, Papa - blöd, keine Kekse - blöd, kein Trickfilm - blöd, Bootstour - blöd, etc. Und zur Krönung, nur um das Kind zu ärgern, habe ich heute weder Mehl noch Zucker für ihr Grundnahrungsmittel "Eier/-Pfannkuchen;)", dafür aber einen Wintermantel in der (Achtung!!!) falschen Farbe gekauft. Ergo: Mama - superblöd.


Ich habe mich zurück erinnert. Das war schon eine wilde Zeit. Heute wünsche ich mir manchmal, ich hätte das mehr genossen, obwohl ich das wahrscheinlich trotzallem gar nicht so schlecht gemacht habe. Rückblickend ist sie so schnell groß geworden. Die Untermieterin legte sich heute morgen zu mir ins Bett und wir redeten über den Tag. Sie ist jetzt 14 und hat heute ihre Potentential-Analyse. Verrückt. Ich bin gespannt, was sie vom Tag erzählen wird und wie sie das so findet. 

Sonntag, November 02, 2025

gegenwart.

Ich will mich nicht mehr im damals verlieren. Ich bin im heute schon ziemlich verloren. Ich dachte immer, ich könnte Dich irgendwie ein bisschen länger festhalten, wenn ich viel über Dich schreibe. Ich wollte Dir gerne noch ein bisschen länger über den Kopf streichen, noch ein bisschen länger in Deinen Armen einschlafen - aber das konnte ich nicht. Zumindest nicht mehr anders als mit Worten. Und die Worte, die mir noch blieben, wollte ich nicht loslassen. Also hab ich Texte geschrieben. Und Gedichte. Dir Wort für Wort geschenkt. Dich in meinen Sätzen konserviert, Dich Satz für Satz weitergeatmet. Dich immer tiefer in mich geschrieben. Manchmal Satz für Satz geheult. Aber Worte halten keine Menschen. Sie halten nur den Schmerz in Bewegung. Ich habe Dich in jede Zeile geschrieben, als könnte ich Dich so wieder zusammensetzen. Aber irgendwann verliert selbst Erinnerung die Schärfe.

Manchmal streife ich noch durch Erinnerungen wie durch ein altes Haus. Ich klappere Türen ab, von denen ich längst weiß, dass sie nicht mehr aufgehen. Ich streiche über Sätze wie über Wangen, die nicht mehr warm sind. Ich lege Gedanken in die Stille wie Blumen auf ein Grab. Es war nie einfach mit uns. Da war immer schon viel zu viel drum herum und wir haben es nie auf Dauer geschafft, einfach nur der Mittelpunkt zu sein. Mittlerweile verblassen die Worte vor meinen Augen, wenn ich über Dich schreiben will. Ich kann nicht mehr über das schreiben, was Du bist. Über das, was Du tust. Es bleibt mir nur noch das Präteritum. Jeder meiner Sätze verliert sich in der Vergangenheit. Und ich, ich bin nicht da. Ich bin nicht in der Vergangenheit. Ich bin hier. Und nach all den Worten über Dich, nach all den langen Nächten, in denen Du mir fürchterlich gefehlt hast, nach all den Tagen, an denen ich an nichts anderes denken konnte, als an Dich, möchte ich nicht mehr in die Vergangenheit flüchten.

Sie gibt mir nicht mehr so viel Geborgenheit wie Du es immer konntest. Vielleicht ist es auch das. Ich hab in den Texten über Dich das Gefühl gesucht, das Du mir immer gegeben hast. Und je weiter weg Du rutschst, desto schwieriger wird es für mich, genau dieses Gefühl zu finden. Ich will mich nicht mehr im damals verlieren. Ich bin im heute schon ziemlich verloren. Es ist einfach wahr. Ich bin hier. Und Du bist es nicht mehr, weil Du tot bist. Ich bin noch hier, aber nicht ganz. Weil ein Teil von mir in einem „Früher“ wohnt, das nicht mehr antwortet. Und ein anderer Teil nach vorne schaut, blinzelnd, suchend, taub vor Sehnsucht. Das ist vielleicht die Wahrheit. Nicht, dass es heilt. Sondern dass man lernt, mit der Leerstelle zu leben. Dass Liebe nicht stirbt, sie verlagert sich nur. Man trägt sie weiter. Nicht mehr an der Hand, aber im Herzschlag. Ich weiß, dass Liebe nicht wiederholt, was einmal war. Sie wächst neu, anders, trotzdem. Und manchmal wächst sie still. Heimlich. In einer Gegenwart, die einen wieder berührt. Er ist mein Trotzdem, meine Gegenwart - mein Herz. Und manchmal, wenn ich ihn anschaue, spüre ich etwas, das leiser ist als all der Schmerz, aber stärker als die Erinnerung. Eine neue Verlässlichkeit. Er sieht nicht das, was fehlt, sondern das, was bleibt und trägt. Ich lerne, dass Loslassen nicht bedeutet, weniger zu lieben. Sondern tiefer. Freier. Weiter. Ich trage Dich nicht mehr vor mir her. Ich trage Dich in mir. Und während ich das tue, halte ich jemand anderen an der Hand, als bewusste Entscheidung. Für mich. Für das Leben. Für das Jetzt.

Samstag, November 01, 2025

november.

November. Die Luft fühlt sich schwerer an, dichter, als würde sie sich erinnern. Man geht langsamer, denkt leiser, atmet vorsichtiger. Vielleicht, weil zu viele Namen mitschwingen, die man nicht mehr ruft. Die, die fehlen, haben immer noch ihren Platz, irgendwo zwischen Erinnerung und Gegenwart. Sie sind nicht wirklich weg, eher in einer anderen Frequenz, die man manchmal noch spürt, wenn es still genug ist. Besondere Menschen fehlen. Nicht laut, aber tief. Manchmal ist es ein Geruch, der mir begegnet, manchmal ein Satz, den sie gesagt hätten, manchmal nur dieses Gefühl von Verlässlichkeit, das ich nur noch schwer finde. Man sagt, die Zeit heilt, aber vielleicht stimmt das nicht. Vielleicht macht sie nur Platz für den Schmerz, damit er sich hinsetzen kann, leiser wird, aber bleibt. Heute ist einer dieser Tage, an denen man spürt, dass Liebe nichts löst, sie bleibt einfach. Auch wenn niemand mehr antwortet.