Freitag, März 14, 2025

gedanken.

Manchmal schlägt das Leben einen Weg ein, den man nie gehen wollte. Kann sich ein Leben in nur einer Sekunde ändern? Aber ja. Alles dreht sich um. Aus oben wird unten. Aus weiß wird schwarz. Aus Tag wird Nacht. Für immer?

Nein. Aber für sehr lange.

Donnerstag, März 13, 2025

glücksplosion.

Ich liebe es, wenn der Raureif die Dächer der Nachbarhäuser mit glitzerndem Frost überzieht. Wenn die Papageien ihre Lieder im Hof piepsen. Wenn der Morgennebel sanft über der Straße schwebt. Wenn die Abendsonne die Wolken in zartes Rosarot taucht. Wenn meine Nachtgedanken durch die Dunkelheit wandern. Ich liebe es, den Herbstwind auf meiner Haut zu spüren. Im Winter meinen Atem in der kalten Luft tanzen zu sehen. Wenn frisch gefallener Schnee die Stadt in Stille hüllt, als hätte jemand die Welt auf „Pause“ gedrückt. Von Frühlingsgefühlen high zu werden. Im Sommerregen zu tanzen.

Ich liebe es, am Meer vor mich hin zu träumen. Mit Freunden um einen flackernden Grill zu sitzen, den Duft von glühender Holzkohle in der Luft und das Knistern der Flammen in den Ohren. Mir in der Badewanne Schaumhüte aufzusetzen. Mit dem Einkaufswagen Wettrennen zu fahren. Die Hand meiner Tochter zu halten, ihre Finger in meinen zu spüren und zu wissen, dass es keinen sichereren Ort für sie gibt. Die Liebe von Freunden zu spüren, die einfach da sind. Ich liebe es, ganz fest umarmt zu werden. So laut zu lachen, dass es weh tut und doch wunderschön ist. Manchmal einfach nur allein zu sein. Nach Hause zu kommen.

Es sind diese Momente, die mich fast glücksplodieren lassen. Die so klein und unscheinbar wirken und doch so groß und bedeutend sind. Es sind diese Momente, die mir Tränen in die Augen treiben. Die sich anfühlen wie Konfettiregen. Es sind diese Momente, in denen ich in die Welt hinausrennen will, um mich in ihrer sanften Schönheit zu verlieren. Still den Augenblick zu genießen. Es sind diese Momente, die mir zuflüstern: Zu jeder Zeit und an jedem Ort kann das Leben besonders sein.

Mittwoch, Februar 19, 2025

achterbahn.

Das Leben ist wie eine Achterbahn. Auf der Fahrt durch Höhen und Tiefen, Rechts- und Linkskurven, Loopings und Schrauben wird uns einiges abverlangt. Menschen steigen ein und wieder aus - einige davon fahren nur eine kurze Weile mit und andere bleiben bis zum Schluss sitzen. 

Manchmal genießen wir den atemberaubenden Ausblick aus schwindelerregender Höhe, manchmal hält uns die Schwerkraft gnadenlos unten. Es gibt Momente, in denen wir voller Vorfreude die Arme in die Luft reißen – und solche, in denen wir uns nur noch festklammern und hoffen, dass der nächste Abschnitt sanfter wird. Die Geschwindigkeit überrascht uns oft – mal rasen wir durch das Leben, ohne richtig innezuhalten, mal zieht sich die Fahrt zäh wie in Zeitlupe. Und doch geht es immer weiter. Jede Begegnung, jede Kurve, jede unerwartete Wendung formt unsere Reise. Manche Mitfahrer hinterlassen Spuren in unserem Herzen, auch wenn sie längst ausgestiegen sind. Andere sitzen still neben uns, während wir gemeinsam durch die Wirbel des Lebens rauschen.

Egal, wie wild die Fahrt ist – am Ende zählt nicht, wie oft wir gefallen sind, sondern wie oft wir das Lachen nicht verlernt haben.

Sonntag, Februar 16, 2025

reichtum.

Die Sonne scheint. Es ist unglaublich kalt und eisig. Ich mag dieses Wetter. Es hat so etwas gemütliches. Ich sitze in meiner warmen Pyjamahose am Küchentisch, schaue in die Sonne und denke an Dich. Ich muss lächeln. Gleichzeitig ist mir zum Weinen. Ich vermisse Dich so unglaublich, dass es wehtut. Gestern wollte ich Dich anrufen und von den letzten Wochen erzählen. Das Leben steht nicht still. Mir fehlen unsere Gespräche. Deine Hand auf meiner. 

Trotz allem überwiegt die Dankbarkeit und Freude, dass ich Dich hatte und Du mich so bedingungslos geliebt hast. Das macht mich wirklich reich. 

Sonntag, Januar 26, 2025

85.

Die letzten Wochen hatten sehr viel Schwere. Aber so ist das, wenn jemand geht, der so wichtig war: schwer. 

Heute wäre Dein 85.Geburtstag gewesen. Ich hab mir die Fotos der letzten Geburtstage angeschaut. Wahnsinn, wie schnell sich Dinge plötzlich ändern können. Ich werde Freitag auf Dich anstoßen, dann bist Du genau vier Wochen tot. Wir werden dabei besprechen, wer am Samstag wo sitzt, wo läuft, etc. Du kannst Dir vorstellen, wie sehr ich innerlich die Augen verdrehen werde. Ich werde versuchen den Spass und die Doppelmoral links und rechts einfach auszublenden. Vielleicht baue ich in meine Rede noch eine Deiner Anekdoten von den Bombennächten 1945 ein und wieviel Angst Du davor hattest, dass das wieder passieren kann in den nächsten Jahren. Du hast meine Hand festgehalten und erzählt, wie sehr sich die Bilder und Geräusche in Dein Gehirn eingebrannt haben. Wie oft haben wir bei schlimmen Gewittern nachts im Flur auf der Bank gesessen als ich ein Kind war, nachdem Du alle Stromquellen abgeschaltet hattest, die wichtigsten Papiere in der Hand, weil Du bereit sein wolltest zu fliehen. Dein Kriegstrauma. Du hast 1945 auf dem Gepäckträger gesessen und die Tasche mit den Papieren fest umklammert auf dem Weg zum Bunker. Es wird an der Einstellung Anwesender de facto nichts ändern bei der Wahl in 4Wochen. 

Ich habe all Deine Geschichten so sehr geliebt. Alles Liebe zum Geburtstag, Du verrückte Nudel. Ich vermisse Dich. 

Mittwoch, Januar 22, 2025

steine.


Du bist jetzt seit fast drei Wochen tot und es ist keine einzige Woche vergangen, in der ich nicht mindestens dreimal das Bedürfnis hatte, Dich anzurufen und Dir von irgendetwas zu erzählen.

Je näher der Tag Deiner Beerdigung rückt, umso größer wird der Stein in meinem Magen.

Donnerstag, Januar 02, 2025

zeit.

Letzten Mittwoch hast Du meine Hand fest gedrückt und die ganze Zeit nicht losgelassen. Deine Augen haben gestrahlt und gelacht, als Du die Untermieterin und mich erkannt hast. In diesem Moment warst Du ganz da. Du konntest es gar nicht fassen, dass wir tatsächlich da sind trotz der großen Entfernung. Du hast gelächelt und gesagt: „Ich komme euch bald besuchen.“

Zwischendurch bist Du immer wieder im tiefen Nebel verschwunden, und ich habe jede Deiner Bewegungen beobachtet. Deinen Blick, der ins Leere glitt. Deine Hände, die so vertraut und doch so zerbrechlich wirkten. Ich wollte mir jedes Detail genau einprägen, als könnte ich damit die Zeit anhalten. Es hat Dich sichtlich Kraft gekostet, Dich zu konzentrieren, bei uns zu bleiben, diesen Moment mit uns zu teilen. Beim Abschied habe ich Dich immer wieder fest umarmt und geküsst. Am liebsten hätte ich Dich überhaupt nicht losgelassen – weil ich nicht wusste, ob es vielleicht das letzte Mal ist.

Seit Samstag hat sich Dein Zustand rapide verschlechtert. Du isst und trinkst kaum noch, selbst die Tabletten bleiben nicht in Dir. Dein Körper ist voller Wasser, und Du bist so verändert. Abwesend. Du möchtest nicht mehr aufstehen. Alle machen sich große Sorgen – auch die Pflegekräfte. Am Telefon hat meine Mutter heute geweint. Sie sucht noch nach Erklärungen, nach einem Schuldigen, klammert sich an die Hoffnung, dass es doch noch besser werden könnte. Aber sie hat auch das ausgesprochen, was ich schon länger denke, aber nicht wahrhaben wollte: Dein Körper hat wahrscheinlich keine Kraft mehr.

Du bist müde. Ich sehe es. Wir alle sehen es. Und es bricht mir das Herz. Aber vielleicht ist es jetzt Zeit, loszulassen – auch wenn es noch so weh tut. Du hast so viel gegeben, so viel geliebt. Du bist so wichtig für uns. Und das wirst Du immer bleiben.

Samstag, Dezember 28, 2024

gefühle.


Gefühle binden Menschen, dachte ich immer.

Ich weiß nicht was es ist, was es war, wie es gewesen wäre oder wie es wird. Jedoch weiß ich, dass Gefühle nicht sterben können. Sie schlafen vielleicht, werden überdeckt, verdrängt – doch sie können jederzeit geweckt werden. Echte Gefühle sterben nicht. Ich glaube nicht, das Menschen sich ändern, sondern das sie geprägt werden. Man wächst an Situationen und Erfahrungen, guten oder schlechten. Sie formen einen. Das Leben ist wie ein Puzzle, ein unfertiges Bild. Jede Erfahrung ist ein Puzzleteil, jedes Gefühl und sogar Menschen können zu Puzzleteilen werden, fest verankert, denn ohne sie wäre das Puzzle nicht komplett. Jede Erinnerung ist ein Teil, welches zum kompletten Bild beiträgt. Diese besagten Puzzleteile sind individuell geformt. Manche Menschen hinterlassen Spuren, die unauslöschlich sind. Sie sind Teile, die sich perfekt einfügen, einzigartig und unverzichtbar.

Manchmal, jedoch, passen diese Teile nicht nur in ein Bild. Sie gehören zu mehreren Puzzles, zu mehreren Geschichten. Andere hingegen sind so speziell, dass sie nur in dein eigenes Puzzle passen. Wir bestimmen die Farben dieses Bildes, die Formen, die Schattierungen – und doch gibt es Elemente, die wir nicht beeinflussen können.

Ich bin glücklich und zugleich auch traurig. Ich bin dabei herauszufinden, wie das funktioniert. Vielleicht ist das glückliche Traurigkeit oder trauriges Glücklichsein? Ich schätze es ist egal, wie man es nennt. Es zählt nur, was wir spüren. Gefühle geschehen einfach. Sie überrollen uns manchmal, und wir können sie nicht steuern. Aber sie wollen gefühlt werden, und wir müssen lernen, mit ihnen umzugehen. Denn das ist Leben, oder? Zu fühlen. Gefühle auszudrücken. Sie zu akzeptieren. Sie zu teilen.

Gefühle können von anderen Menschen oder Situationen beeinflusst werden. Und genau das ist es: sich selbst zu fühlen, andere fühlen zu lassen. Sich in ein Netz aus Gefühlen einzuwickeln, nur um von jemandem daraus befreit zu werden – von jemandem, der versteht, was man fühlt. Jemandem, der nicht wegschaut, sondern bleibt.

Gefühle binden Menschen, dachte ich immer. Doch genauso können sie trennen. Wenn zwei Menschen nicht dasselbe fühlen. Wenn einer dachte, der andere fühlt genauso. Gefühle können täuschen. Und am schwierigsten ist es oft, sie überhaupt einzugestehen. Die meisten von uns tragen eine Maske, verstecken, was wirklich in ihnen vorgeht. Aus Angst, aus Scham, aus Gewohnheit.

Aber was wäre, wenn wir diese Masken einfach ablegen? Nur für einen Moment. Was wäre, wenn wir uns öfter zeigen, wie wir wirklich sind – roh, verletzlich, unbeholfen, echt? Vielleicht wären unsere Verbindungen dann klarer, tiefer, ehrlicher. 

Donnerstag, Dezember 26, 2024

am ende eines Lebens.

Als ich das erste Mal das Zimmer meiner Oma im Pflegeheim betrete, musste ich Tränen runterschlucken. 14 Quadratmeter und eine kleine Nasszelle – das ist alles, was von einem Leben übrig bleibt, das so reich an Geschichten, Erinnerungen und Dingen ist. Ein paar Bilder an der Wand, ein paar Fotobücher und eine Decke, die nach Zuhause riecht – das war's.

Ich sehe mich um und erinnere mich an ihre gemütliche Wohnung, die immer nach ihr duftete. Die Kommode voller Fotos, die Schubladen mit all den Kleinigkeiten, die sie aufgehoben hat, weil sie ihr etwas bedeuteten. Jetzt ist davon kaum etwas übrig. Die Wohnung ist verweist. Wirkt kühl und seelenlos. 60Jahre in diesen Wänden. Es fühlt sich so endgültig an.

Aber dann sehe ich sie, wie sie da auf ihrem Bett sitzt. Ihre Augen sind müde, aber wenn ich ihre Hand halte, spüre ich noch immer die Wärme, die mich mein ganzes Leben begleitet hat. Es ist nicht die Größe des Zimmers, die zählt, denke ich, sondern die Momente, die wir noch teilen können.

Es bricht mir das Herz, dass sie ihr Zuhause hinter sich lassen muss, aber vielleicht ist dieses Zuhause nicht an einen Ort gebunden. Vielleicht liegt es in den Menschen, die sie lieben, in den Geschichten, die wir noch erzählen, und in den Erinnerungen, die ich mit ihr trage – selbst in diesen 14 Quadratmetern.

Donnerstag, November 28, 2024

Montag, November 25, 2024

kopfkrieger.

Die Kopfkrieger, gerüstet mit Gedanken an die Zukunft und mein eigenes Wohl. Ich versuche mir zu erklären, dass das nichts zu bedeuten hat, dass Du jemand von vielen bist. Ich stelle mir das wie eine Liste vor, eine Liste mit einer Menge Namen und irgendeiner ist deiner – nichts besonderes, genau wie die anderen in Helvetica, Schriftgröße 12.

Sonntag, November 17, 2024

durchgespielt.

Demenz. Kannst Du nichts machen. Ich habe das durchgespielt. Dachte ich. Ich dachte, ich hätte mich von dem Menschen verabschiedet, wie ich ihn kannte, sei vorbereitet und könnte akzeptieren, dass sie sich durch diese Krankheit nach und nach auflöst. Einfach im Nebel verschwindet bis auf die Hülle. Ein Abschied auf Raten. Und plötzlich geht das alles so verdammt schnell. Von null auf Hundert. Wie kann jemand, der immer so viel Leben, so viel Liebe war, plötzlich alles vergessen? Alles, was sie war – ihre Geschichten, ihr Lachen, ihre kleinen Marotten – ausradiert. Vergessen. Sie war der lebendigste Mensch, den ich kenne. 

Diese Krankheit frisst eine ganze Lebensgeschichte. Und alle sind zum Zuschauen verdammt. Es lässt sich weder aufhalten noch rückgängig machen. Ich muss das von mir weghalten, auf Distanz bleiben. Sonst zerstört es mich. Ich vermisse sie und unsere stundenlangen Gespräche, wenn es ruhig in meinem Kopf wird. Also bleibe ich nicht stehen, bleibe in Bewegung, weil ich das alles nicht fühlen kann. Mein Herz ist so scheiße schwer...

Sie war immer da. Meine Konstante. 43Jahre lang. Wenn ich an Sie denke, muss ich lachen, weil da so viele schöne Erinnerungen und lustige Geschichten sind, die mir von ihr bleiben. Sie war so bemerkenswert und großartig. Man habe ich sie geliebt und vergöttert. Ich wollte immer so werden wie sie, als ich klein war und ich glaube, ich habe ein paar tolle Wesenszüge vererbt bekommen. Die Eloquenz und Positivität. 

Ich war mein ganzes Leben ihr Lieblingsenkelkind, weil ich die Erste war. Jetzt weiß sie nicht mehr, wer ich bin. 

Ich werde mich für immer an sie erinnern. Was hatte ich bitte für ein Glück?