Sonntag, September 21, 2025

ego.

Wenn nichts bleibt, wird Lärm zum letzten Halt. Man wirft Schatten auf Wände, in der Hoffnung, jemand glaubt, es sei Substanz. Nährt sich vom Widerhall, nicht vom Wort. Und wenn das Echo ausbleibt, schreit das Ich in Bildern, die keiner mehr sieht. Kein Spiegel, kein Halt, nur das Flackern eines Egos, das sich selbst nicht halten kann.

Donnerstag, September 18, 2025

reflexe.

Manche Schnitte bluten nicht mehr. Aber sie schreiben weiter. Unter der Haut. In den Reflexen. Im Zucken vor der Berührung. In der Pause, bevor man antwortet. Es sind nicht die Narben, die schreien. Es ist das Echo der Stelle, an der man damals beschlossen hat, nie wieder weich zu sein. Man hat gelernt, Türen zuzuhalten. Und dann steht da einer, der nicht drückt. Und plötzlich spannt alles dagegen.

Montag, September 15, 2025

bewegung.

Einige Wege beginnen nicht mit einem Schritt, sondern mit dem Innehalten. Mit dem Moment, in dem man nicht mehr wegschaut. Bewegung ist selten laut. Sie raschelt. Schiebt sich durch Gedanken, legt sich unter die Haut, verlagert Gewichte. Und plötzlich rücken Dinge zurecht, die sehr lange schief standen. Man tut nichts und tut alles. Es ist kein Rennen. Kein Sprint. Kein „jetzt oder nie“. Es ist das leise Neigen der Richtung. Das Auflösen von Ausreden. Das Erkennen, dass Stillstand vielleicht temporär bequemer, aber nicht wahr ist. Man verwechselt Stille mit Gleichgültigkeit. Warten mit Bequemlichkeit. Und das Nicht-in-die-Gänge-kommen mit einem „Will nicht“. Dabei brodelt es längst.

Bewegung beginnt oft dort, wo man sie nicht sieht. Wenn der innere Kompass zittert. Wenn jeder Schritt wie ein Verrat an der alten Ordnung wirkt. Wenn das Neue ruft, aber das Alte noch zu laut ist, um es zu ignorieren. Manchmal ist Nicht-Handeln das Ergebnis von zu viel. Nicht zu wenig. Zu viele Stimmen, zu viele Erwartungen, zu viele verknotete Erinnerungen. Und doch: Es bewegt sich. Langsam. Leise. Vorwärts.

Montag, September 08, 2025

frost.

Es gibt Tage, da fühlt sich Verantwortung an wie eine alte, vertraute, viel zu schwere Jacke. Sie zieht sie morgens an, weil sie nicht weiß, wie sie ohne sie das Haus verlassen soll. Man gewöhnt sich an das Gewicht, bis man den Unterschied kaum noch spürt. Nur nachts, wenn alles leise wird und niemand hinsieht. Die Luft ist kühl. Draußen schläft die Stadt, drinnen tobt das Denken. Die Gedanken kreisen im Raum, bodenlos und ohne Namen. Es wäre so leicht, einfach zu verschwinden. Aber da ist jemand, für den man bleibt. Ein Herz, das nicht nur das eigene ist. Das Leben ist ein geputztes Glas, randvoll mit Pflichten, feine Risse, die niemand sieht. Sie übt das Schweigen, lächelt sich durch alle Fragen, hält alles zusammen, hält alles aus. Manchmal glaubt sie, der Frost im Herzen sei das Einzige, was sie schützt. Sie zählt die Atemzüge, einen nach dem anderen, leise, zäh. Man nennt das wohl Stärke. Sie nennt es Überwintern. Vielleicht ist der größte Mut, zu bleiben, zu atmen, zu warten, bis die Tür irgendwann wieder zufällt und die Kälte langsam auszieht.

Sonntag, September 07, 2025

alte muster.

Sie trägt ihre Rüstung aus Selbstbeherrschung und schweigt, macht alles mit sich allein aus, während das Herz leise und wild tobt. Manchmal ist ihre größte Kunst, dass niemand merkt, wie müde sie eigentlich ist. Sie lächelt höflich. Man nennt das wohl Stärke. Da sind sie - die alten Muster. Willkommen zurück!

Dienstag, September 02, 2025

pommes und wein.

Gestern: Pommes & Wein. Ich liebe alles daran.
 
Jetzt, ein paar Monate später, gehst Du mit ihm an dieser einen Stelle vorbei, und plötzlich ist da eine Geschichte, die weitergeht. Dieses - weißt Du noch, wie wir da standen und beide dachten, "Das war’s. Den/ Die sehe ich höchstwahrscheinlich nie wieder.", als jeder in seine Richtung ging? Ich glaube, wir haben damals beide nicht geahnt, dass dieser eine letzte Kuss eigentlich der erste war. Manchmal ist das Leben einfach so viel besser als jede Theorie.

Samstag, August 30, 2025

spiegel.

Wer sagt, er hätte keine Angst vor der eigenen Medizin, hat sie noch nie geschluckt. Wir drehen das Bild um, drehen es weiter, bis beide Seiten gleich scharf sind. Nicht aus Bosheit oder Vergeltung. Nur aus Sehnsucht nach Gleichstand. Ich will nicht gewinnen. Nur, dass keiner verliert.

Freitag, August 29, 2025

handstand.

Manchmal wünsche ich mir, ich könnte all die unsichtbaren Protokolle des Alltags einfach an die Tür hängen, wie eine Quittung. Es gibt diese Tage, an denen ich das Gefühl habe, mein Leben bestünde aus Zwischenräumen. Zwischen Schultür, Firma und Zahnarzt. Zwischen Bergen aus Wäsche oder Pappe, Listen, Gesprächen, Hausaufgaben, Klassenarbeiten, Pubertätskrisen, dem Lachen, endlosen kleinen To-dos, den Nerven und der Liebe. Die Gedanken, wie man alles zusammenhält.

Niemand sieht, wie viele Kilometer man innerlich läuft, bevor überhaupt jemand klingelt. Manchmal rede ich mit einer Wand, manchmal mit dem Universum, meistens mit mir selbst. Ich kenne alle Abläufe, die Abkürzungen und Umwege, habe einen geheimen Masterplan für jedes Chaos. Zeit vergeht, Kinder werden älter, Gewohnheiten laufen mit - auf Zehenspitzen. Es sieht von außen aus wie Alltag. Es fühlt sich regelmäßig wie ein Handstand auf nassem Grund an. Ich bin zwischen Routinen und Revolutionen. Es gibt keine Pointe, keinen Applaus. Nur diesen kleinen Moment, wenn ich merke, dass ich mich selbst nicht verliere, während ich halte, was gehalten werden muss.

Nicht mehr. Und nicht weniger. Es geht nicht um Heldenmut oder Opferrolle. Sondern um Ehrlichkeit. Die Müdigkeit, die bleibt.

Donnerstag, August 28, 2025

wachstum.

Es gibt Tage, da ist Mut nichts Lautes, nichts, was in den Raum poltert und mit der Faust auf den Tisch haut. Mut ist sehr oft leise, duckt sich in den Zwischenraum zwischen Angst und dem nächsten Schritt. Wächst wie Unkraut durch den Asphalt, ungewollt und trotzdem da. Es ist nicht die große Geste, sondern dieses schmale Zucken in der Magengegend, kurz bevor Du etwas tust, was Du noch nie getan hast.

Wachstum fühlt sich selten an wie Fortschritt. Es brennt, dehnt sich, macht Dich klein, bevor es Dich wachsen lässt. Am Anfang sieht man nichts, außer Zweifel und diesen albernen Reflex, zurück zu wollen in das, was sicher war, selbst wenn es schon längst zu eng geworden ist. Alte Haut, alter Trott, alles bekannt, alles bequem. Mut bedeutet, das alles trotzdem zu sprengen. Wachsen heißt, den eigenen Schatten nicht mehr als Warnung zu nehmen, sondern als Beweis, dass da Licht ist. Mutig sein heißt, immer wieder aufzustehen, auch wenn man keine Garantie auf ein Happy End hat. Es ist die Bereitschaft, mit Schrammen weiterzugehen und aus ihnen Wurzeln zu machen.

Niemand feiert, wie langsam das wirklich ist, dieses innere Nach-vorne-Schieben. Niemand klatscht Applaus, wenn Du Dich einfach nicht unterkriegen lässt. Aber irgendwann drehst Du Dich um und siehst, was Du alles hinter Dir gelassen hast. Dann bist Du plötzlich nicht mehr die, die Angst hatte, sondern die, die losgegangen ist. Und irgendwo zwischen Loslaufen und Ankommen liegt der eigentliche Mut. Nicht alles wissen müssen, aber trotzdem weitergehen. Egal wie wild der Boden schwankt. Egal, wie oft Du stolperst. Weil Wachstum nie bequem ist.

Dienstag, August 26, 2025

orbit.

Manchmal ist es ganz einfach. Ich mag genau das, was ist. Ich spüre ihn, alles an ihm, und jedes Wiedersehen fühlt sich wie Heimkommen an. Dann wird alles innen drinnen ganz ruhig. Dieses Mal war das Vermissen körperlich, hat sich in meine Haut gelegt. Ich will nicht nochmal so lange ohne ihn sein, das weiß ich jetzt. Und dann sitzen wir zu dritt am Tisch. Und die Untermieterin und der Mann reden über Planeten und schwarze Löcher, und ich lehne mich zurück und merke, wie normal es sich anfühlt, wie leicht. Ich liebe alles daran. Dass wir über einen gemeinsamen Urlaub sprechen. Dass meine Tochter ihn mag, weil er sie ernst nimmt und Fragen stellt, weil sie zusammen Quatsch machen und gleichzeitig ernsthaft sinnieren können. Das ist für mich das größte Geschenk. Das Glück ist gar nicht laut, sondern leise, schleicht sich in die Routinen, in die Gespräche, in das gemeinsame Lachen und Pläne machen. Ich will mehr davon. Genau so.

Montag, August 25, 2025

wild.

Es ist verrückt und wild, wie viel ein einzelner Tag manchmal tragen kann. Es gibt diese Sekunden, da fühlt sich alles zu viel an. Du bist richtig traurig, weil ein kleiner haariger Freund plötzlich in Deinen Armen stirbt und nicht mehr da ist. Und vorher triffst Du spontan den Mann, der plötzlich wirklich da ist. „Kiss & Drive“, alles in einer Bewegung. Zwischen Abschied und dieser festen Umarmung, die alles ein bisschen leichter macht. Die Hände leer, das Herz voll.

Freitag, August 22, 2025

fundament.

Manchmal fühlt es sich an, als würde ich zwischen all dem Lärm plötzlich für Sekunden durchsichtige Haut haben. Alles kommt rein. Alles bleibt kleben. Nichts lässt sich abwaschen. Es ist, als würde ich nachts mit offenen Wunden schlafen und morgens mit neuen Narben aufwachen, von denen niemand weiß. Lose Schrauben im Kopf. Ich, die nie wusste, ob sie reicht, aber immer schon zu viel gefühlt hat. Ich bin nicht sicher, ob ich einfach gelernt habe, nicht mehr so oft nach unten zu schauen. Es ruckelt noch hin und wieder. Alte Zweifel nisten in den Winkeln, wie kleine Tiere, die sich in den Ritzen verkriechen. Wir haben das Fundament nicht gegossen, wir haben es freigelegt, Schicht um Schicht. Alte Geschichten, alte Schmerzen, neue Angst. Und trotzdem, da ist diese Richtung, in die es uns zieht. Nach vorne, zusammen.

Kein Sicherheitsnetz, kein doppelter Boden. Nur zwei, die langsam begreifen, dass Zuhause vielleicht genau das ist: Sich ineinander ausruhen, auch wenn alles andere tobt. Ich will morgens aufwachen und Dich riechen, will Dir zusehen, wie Du kämpfst - gegen alte Muster, gegen diese kleine Stimme im Kopf, die sagt, Du könntest niemals reichen. Aber Du bist da. Und ich – ich bin auch noch da. Vielleicht reicht das.