Mittwoch, November 19, 2025

landkarte.

Mein Nervensystem trägt eine Landkarte, die ich weder ausgesucht noch selbst gezeichnet habe. Linien, die nicht aus Entscheidungen bestehen, sondern aus Momenten, die zu schnell, zu laut, zu nah waren. Karten, die nicht nach Norden zeigen, sondern nach damals. Manchmal berühre ich sie nur im Vorbeigehen. Ein Geräusch, ein Schritt, ein Geruch, ein Blick zu viel und plötzlich faltet sich ein unsichtbares Terrain in mir auf. Keine Erinnerung, eher ein Beben unter der Haut. Als würde irgendwo tief drinnen eine alte Sirene anspringen. Diese Landkarte ist seltsam. Sie zeigt Schluchten, in die ich nie wieder steigen will, und Wege, die ich nur im Kopf renne, während mein Körper still bleibt. Und doch begleitet sie mich. Nicht als Geschichte, sondern als feine, vibrierende Linien, die manchmal leuchten, wenn Fremdes zu nah kommt. Ich navigiere sie geübt. Ich erkenne, wann der Boden unter mir dünner wird, wann ein Schatten zu lang ist, wann die Luft plötzlich zu schwer atmet. Ich weiß, wie man stehen bleibt, wie man weitergeht, wie man die eigene Hand im Dunkeln wiederfindet. Es ist meine Karte, auch wenn sich sie nicht gewählt habe. Und ich lerne nach wie vor, darauf Wege zu zeichnen, die nicht aus Angst entstehen, sondern aus mir selbst.

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