Samstag, Dezember 13, 2025

feldstudie.

Ich habe etwas herausgefunden. Rein wissenschaftlich natürlich. Man muss ja Daten sammeln, wenn man wissen will, womit man es eigentlich zu tun hat. Sein Geruch bleibt exakt zwei Nächte lang in seinen Shirts, wenn ich sie in seiner Abwesenheit trage. Zwei. Nicht eine mehr. Nicht eine weniger. Danach ist es nur noch Stoff. Neutral. Ohne Aufladeeffekt. Ich habe das gar nicht geplant, das hat sich einfach ergeben. Nennen wir es eine zufällige Feldstudie im Bereich ,unerwartete Biochemie im Schlafzimmer'. Er hat jetzt eine sehr wichtige Aufgabe. Methodisch sauber. Reproduzierbar. Nachladen. Regelmäßig. Sonst bricht die gesamte Datengrundlage zusammen. Und das will ja niemand. Wissenschaft lebt schließlich von Verlässlichkeit. Und ich schlafe so tatsächlich viel besser und ruhiger. 

Freitag, Dezember 12, 2025

leere.

Leere wird oft missverstanden. Die meisten halten sie für ein schwarzes Loch, das man schnell füllen muss, damit man sich selbst nicht hört. Dabei ist sie kein Fehlen, sondern ein Prüfstand. Ein Raum, der nichts kaschiert und niemanden schont. Sie wiegt nicht, weil sie leer ist, sondern weil sie alles abzieht, was man sich sonst einredet. Ein stiller Druck, der nur auftaucht, wenn man aufhört, sich durch Geräusche oder Menschen zu betäuben und abzulenken. Leere ist so brutal ehrlich. Sie sortiert aus, was nie Substanz hatte, und lässt nichts durchgehen. Weder die Ausreden noch die Versionen von einem selbst, die man gepflegt hat, weil sie bequem waren. Sie macht niemanden schwächer, sie zeigt nur, wer ohne Füllmaterial überhaupt noch Haltung hat. Und das ist der eigentliche Grund, warum sie so schwer wirkt. Leere spiegelt nicht das, was man zeigt, sondern das, was übrig bleibt, wenn der ganze Lärm weg ist. Die meisten halten das nicht aus. Für mich ist Leere kein Mangel, sondern ein Maßstab. Und vielleicht erträgt man sie deshalb so schwer. Nicht weil sie fehlt, sondern weil sie zeigt, was nie da war.

Mittwoch, Dezember 10, 2025

weihnachten.

Das erste Weihnachten ohne sie. So oft darüber nachgedacht, wie das wohl mal sein wird. Früher. Ich habe den Gedanken immer weggeschoben, weil ich das nicht ausgehalten habe. Krass und jetzt stehen wir da und es wird das erste Weihnachten ohne sie. Es ist einfach soweit, ohne Rückfrage, ohne Vorbereitung, ohne Übergang. Man glaubt ja immer, man hätte noch Zeit, bis man merkt, dass Zeit irgendwann einfach aufhört. Alles in mir weiß, dass sie fehlt. Nicht laut, nicht dramatisch. Eher wie ein Raum, der plötzlich zu groß ist, weil der wichtigste Mensch nicht mehr darin steht. Ich vermisse ihr Lachen und ihre Zuversicht.

weihnachtspost.

Und dann läufst Du morgens zur Firma, denkst währenddessen über die Organisation der Weihnachtspost nach und plötzlich wird Dir bewusst, dass Du die bis dato wichtigste Karte nicht mehr schreiben wirst. Nie wieder. BÄM! In your face. Das kickt nochmal anders. Ich denke an die letzten Karten, die ich ihr geschrieben habe. Wie sehr kann man sich über Karten freuen? Sie war der Master der Freude über diese kleinen Dinge. Jedesmal klingelte mein Telefon, wenn sie Post bekam.

Dienstag, Dezember 09, 2025

pläne.

Dezember 2025 und die halbe Urlaubsplanung 2026 steht bereits. Das gab's auch noch nie. Und ich musste noch in keine Tüte atmen. Fühlt sich richtig gut an.

Sonntag, Dezember 07, 2025

demut.

Dieses Jahr hat mich nicht einfach nur begleitet. Es hat mich gepackt, geschüttelt, geworfen, als wollte es prüfen, wie viel ein Mensch tragen kann und wie viel ein Herz aushält, bevor es sich neu sortiert. Es hat mich gefordert, in Momenten, in denen ich eigentlich nur atmen wollte. Es hat mich geweitet, an Stellen, von denen ich gar nicht wusste, dass sie Platz machen können. Es hat mir genommen, unvermittelt, endgültig, schmerzhaft klar. Und es hat mir gegeben, in einer Intensität, die mich manchmal selbst erschreckt. Und jetzt, im Endspurt, kurz vor der Ziellinie eines Jahres, das sich wie ein ganzes Jahrzehnt anfühlt, sitze ich da am Rand, zwischen einem Abschied, der nie ganz leise wird, und einem Ankommen, das mich immer noch staunen lässt.

Da ist Liebe, die mich findet. Da ist Demut, die mich weich macht. Da ist dieses seltsam warme Gefühl, dass Chaos manchmal genau die Form hat, die man braucht, um sich selbst wiederzuerkennen. Und ich denke: Fuck, wie verrückt das alles ist. Wie unerwartet. Wie unlogisch. Wie wunderschön. Wie gleichzeitig das alles. Ein Durcheinander aus Schmerz und Zuversicht, aus Erinnerung und Zukunft, aus Verlust und einem „Wir“, das ich niemals so habe kommen sehen. Und wie seltsam richtig es sich anfühlt. So richtig, dass ich lächeln muss. Trotz allem. Wegen allem. Wir sind einfach so verdammte Glückskinder. Ich bin wirklich dankbar. 

Freitag, Dezember 05, 2025

kanten.

Manchmal falle ich kurz zurück in Räume, in denen es zugig war. In Erinnerungen, die alles andere als schön sind. In Momente, die mich geformt haben wie kaltes Eisen unter einem Hammer. Es gibt Bilder, die sich nicht verabschieden, niemals. Sie wechseln nur den Aggregatzustand, von laut zu leise, von scharf zu dumpf. Aber sie bleiben. Immer. Ich fühle den alten Schmerz. Da ist dieses verdammte Friedhofstor in meinem Kopf. Dieses Geräusch, dieses Schlagen. Es trägt bis heute eine Endgültigkeit in sich, die kein Mensch je wieder aufmachen kann. Und manchmal, wenn ich nicht aufpasse, stehe ich wieder davor. Zehn Jahre später. Sechszehn. Scheißegal. Es rüttelt irgendwo in mir. Nicht lange, nur ein Atemzug. Aber es reicht, um mich still werden zu lassen. Eine Erinnerung mit scharfen Rändern. Und dann schaue ich neben mich, in das Jetzt. In jemanden, der mich anschaut, als hätte er begriffen, dass ich manchmal an Orten stehe, die man nicht erklären kann. Und plötzlich ist da nur Präsenz. Boden. Wärme. Ein Gegenpol zu all dem, was jemals kalt war. Ich muss mich manchmal selbst kneifen, weil das Leben jetzt weicher aussieht, als es sich anfühlt. Weil ich in mir drinnen noch auf harte Kanten vorbereitet bin und stattdessen Hände finde, die halten.

Ich verschwinde manchmal für eine Sekunde. Aber ich komme zurück. Immer. Und jedes Mal ein Stück mehr ganz.

Donnerstag, Dezember 04, 2025

besinnlichkeit.

Alle krank. Überall Chaos. Ich jongliere Termine, Befindlichkeiten und Todos - versuche alle Bälle irgendwie in der Luft zu halten und nichts zu vergessen. Aber gut. Atmen, lächeln, weitermachen. Eins nach dem anderen. Manchmal ist das der einzige Plan, der funktioniert. Wer hat eigentlich mal diese famose Behauptung aufgestellt, die Vorweihnachtszeit sei besinnlich? Es ist jedes Jahr die absolute Hölle.

Mittwoch, Dezember 03, 2025

freeze.

Es ist sehr seltsam, im beruflichen Umfeld plötzlich umarmt zu werden. Vor allem, wenn man eigentlich im „professionellen Modus“ ist und der Körper fest damit rechnet, dass maximal Argumente oder Agenda-Punkte auf ihn zukommen. Aber ganz sicher keine Arme. Von jemandem, der eigentlich fremd ist. Und dann passiert es doch. Jemand lehnt sich vor, zieht Dich kurz an sich, schneller als Du reagieren kannst, und mein ganzes System macht exakt das, was es gelernt hat: Salzsäule. Reglos. Ein innerer Freeze wie aus dem Lehrbuch. Während mein Kopf denkt: „Was passiert hier? Was genau ist jetzt das Protokoll? Und wohin mit meinen Armen, ohne dass es komisch wird?“ Vielleicht liegt es daran, dass berufliche Nähe anders codiert ist. Klarer. Distanzierter. Ich mag und schätze diese Distanz. Wenn wir zusammen im Dreck gestanden haben und mindestens einmal richtig miteinander abgestürzt sind, können wir reden.

Sonntag, November 30, 2025

vertrauen .

Manche Menschen vertrauen, weil sie nie gelernt haben, es nicht zu tun. Andere misstrauen, weil sie genau wissen, wie Enttäuschung sich anfühlt. Und manchmal trifft beides aufeinander, genau in dem Moment, in dem man längst verlernt hat, jemanden wirklich hereinzulassen. Sie bleiben, selbst wenn man ihnen nicht glaubt, dass sie es ernst meinen. Und irgendwann versteht man, dass Vertrauen kein Satz ist, sondern Verhalten. Eine Handlung - leise, konstant, unbequem echt. Dazwischen entsteht ein Raum, der Nähe möglich macht. Nicht, weil man sicher ist, sondern weil man bleibt, obwohl man es nicht sein kann. Loyalität ist kein großes Wort. Kein Schwur. Sie zeigt sich in genau den Momenten, in denen man hätte gehen können und trotzdem bleibt. In der Entscheidung, nicht abzuhauen, selbst wenn der andere innerlich ab und zu noch die Fluchtwege prüft.

Donnerstag, November 27, 2025

kamera.

Manchmal kippt die Realität in eine andere Textur. Einfach… daneben. Ein halber Schritt neben der Welt, ein halber Schritt neben sich selbst. Man sieht sich handeln, sprechen, funktionieren und fragt sich, seit wann man eigentlich nur noch die Rolle spielt, die alle von einem erwarten. Die Szene läuft weiter. Die anderen reden. Und irgendwo im Off sitzt man selbst und fragt: Wann genau hat die Geschichte die Richtung gewechselt, ohne dass man es gemerkt hat? Kein Höhepunkt, kein Knall. Nur diese stille Unwirklichkeit, die wie ein Zwischenraum wirkt. Wie im Film. Nur dass die Kamera nicht aufhört zu laufen.

Dienstag, November 25, 2025

re·si·li·enz.

Ich sass da. Ein Taschentuch in der Hand und ich versuchte ums Verrecken nicht die Fassung zu verlieren. Mein Lippen zitterten. Sie fragte: "Wovor haben Sie am meisten Angst? Was kann schlimmstenfalls passieren?" Ich überlegte, erste Tränen liefen mir die Wangen runter. Ich holte tief Luft - am liebsten wäre ich gegangen -  und spürte, dass dieser Moment mich an eine Grenze führt, die ich jahrelang nicht anschauen wollte. "Ich habe Angst, völlig die Kontrolle zu verlieren. In Millionen kleine Teile auseinanderzufallen. So sehr, dass ich in meinem Alltag nicht mehr funktioniere." Dieser Satz war wie ein Schlag. BÄM! Der Damm brach.

Ich habe etwas erlebt, das viel zu groß war, um es allein zu tragen. Etwas, das ich jahrelang weggeschlossen habe, damit ich weiter funktionieren konnte - für  mich und mein Leben. Ich habe so lange durch Leistung, Kontrolle und Stärke kompensiert, dass ich irgendwann vergessen habe, wie es sich anfühlt, wirklich zu atmen. Ich habe funktioniert, gearbeitet, immer gelächelt, gehalten, was ich halten musste. Ich habe mich zusammengesetzt aus Teilen, die nie Zeit hatten zu heilen. Ich dachte immer, solange ich alles im Griff habe, bin ich sicher. Solange ich funktioniere, kann mir nichts passieren. Aber Kontrolle ist kein Halt. Kontrolle ist letztendlich nur ein beschissener Überlebensmechanismus. Und irgendwann sitzt Du dann da mit einem Taschentuch in der Hand und checkst endlich, nicht die Kontrolle hält Dich zusammen. Sondern die Angst davor, sie zu verlieren. Der Schmerz, den Du nie zugelassen hast. Die Erschöpfung, die Du nicht zeigen wolltest. 

Was hält mich eigentlich wirklich zusammen? Mein Wille. Mein Verantwortungsgefühl. Meine Fähigkeit, immer weiterzumachen, egal wie stark mir der Wind ins Gesicht bläst. Der Mut, Hilfe anzunehmen. Und ich stelle immer wieder fest, ich bin so f*cking resilient. Ich falle nicht auseinander - ich setze mich neu zusammen.