Donnerstag, April 23, 2009

«21.30 Uhr Champagner & Erdbeeren»

Fast hätte ich mich an dem Stück "kalten Hund" verschluckt, als mein Blick auf mein Storyboard fiel. «21.30 Uhr Champagner & Erdbeeren»
Hä? Moment! Dieser Punkt gehörte definitiv nicht zu der Benefizveranstaltung, meinem Projekt, das in diesem Moment in Form von mehreren hundert Menschen um mich tobte. Okay, durchatmen und sammeln! Ich hatte alles genaustens im Blick - die Zeit, Bühne, Künstler, Presse, Fotografen, Gäste, Mitarbeiter und mein Team. Niemand verhielt sich verdächtig, sie lächelten mir zu, nickten oder winkten. Keine Zeit für Spielchen, die Veranstaltung neigte sich dem Ende.

Seit 12 Stunden war ich praktisch überall gleichzeitig, um sicherzugehen, dass ich in den letzten Wochen wirklich alles bis ins winzigste Detail bedacht hatte und bereit notfalls Feuerwehr zu spielen. Einen Plan B in der Hinterhand. Der Kunde war in erster Linie schwierig und mochte langbeinige Blondinnen am liebsten in seinem Bett. (Vermutlich war ersteres der Grund, warum mein Chef mir das Projekt übergab.) Nachdem er mich das erste Drittel des ersten Meetings NUR als hübsche Dekoration meiner männlichen Kollegen behandelte/sah, hatten wir, nach zwei Sätzen unter vier Augen, eine überaus angenehme, respektvolle und professionelle Zusammenarbeit. Ich schweife ab. Alles lief wie am Schnürrchen. Ich hatte Team, Künstler und Rahmenprogramm optimal ausgewählt. Ha, ich bin gut. Perfekt.

"Wo ist denn Frau XY? Kommen Sie zu mir auf die Bühne!"...riss mich aus meinen Gedanken. Der meint mich. Na herzlichen Glückwunsch. Das war weder geplant noch abgemacht und in einen Spiegel hatte ich zuletzt vor Stunden geguckt. Nützt alles nichts, ich drücke M. die Kuchengabel in die Hand, richte blind das aufgeplatzte Sofakissen auf meinem Kopf und kämpfe mich nach vorn. Mein Körper war voll Adrenalin. Normalerweise wird sowas intern gemacht. Der Kunde lobte meine Arbeit in den Himmel und bedankte sich mit einem überdimensionalen Blumenstrauß sowie einem Präsent. Wenn ich bedenke, was ihn unsere Arbeit gekostet hat, eine sehr nette Geste. Der Kunde strahlte, mein Chef strahlte und bei mir fiel der Groschen, wer heimlich den ominösen letzten Programmpunkt auf mein Board gekritzelt haben musste.

M., der Mann mit der Kuchengabel, dem ich Stunden (gefühlte 100 Jahre) zuvor das erste Mal in meinem Leben begegnet war. Mit dem ich mir vor fünf Minuten den Kuchen und die Gabel geteilt hatte - natürlich lediglich aus Zeitgründen ;) Ein charmanter, schlagfertiger, gutaussehender, junger Doktorand und privater Bekannter des Auftraggebers.

Und wie oft hast Du schon die Nacht mit einem Helden verbracht
Und bist am nächsten Morgen neben dem Teufel erwacht

Zu oft. Keine grosse Sache an sich. Keine große Liebe, keine großen Gefühle. Und trotzdem ODER vielleicht gerade deshalb, eine Sache die man getrost auch hätte auslassen können. Ich hatte fast ein schlechtes Gewissen als ich auf die Frage, ob wir am Abend gemeinsam Essen gehen, morgens mit "Nein, besser nicht." antwortete und aus seiner Wohnung schlich. Er schickte Blumen in die Agentur.
Er schickte sogar Karten aus Vietnam.

Schick die Dämonen in die Hölle, wo sie hingehören

Exakt. Und die Teufel gleich mit! Nicht, weil es schmerzlich ist, sondern weil es egal ist. Wäre es schmerzhaft, würde es wenigstens Sinn machen. So aber ist es bloss eine Sache, von der man längst weiss, was man davon hält und es trotzdem wieder macht.

Und wie oft hast Du schon die Nacht mit einem Helden verbracht
Und bist am nächsten Morgen neben dem Teufel erwacht
(Thomas D. - Uns trennt das Leben)

13 Kommentare:

  1. Meine Güte, dass nenne ich einen Tag.
    Und es ist doch immer wieder beeindruckend, wenn eine kleine Sache, alles aus dem Konzept bringen kann. :/
    Aber anscheinend hast du ja alles Perfekt gemeistert. Glückwunsch :))

    Oha, welch ein Mann und die ganzen Attribute xP.

    Da fällt mir auch ein Zitat ein :
    Nimm was du kriegen kannst.
    UND GIB NICHTS WIEDER ZURÜCK !!!
    (cpt.J.Sparrow) :)))) *feix*

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  2. *lach* Das Zitat gefällt.
    Der Mann war toll, nur vermische ich Privat sonst nie mit dem Job und 2. erinnerte er mich äußerlich zu sehr an meinen Vater in jung von Kinderbildern. Und das geht gar nicht ;)

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  3. Also als ich mein feeding up Plan durchgezogen habe, sah das so aus :

    Esse alles auf deinem Weg was dich weiterbringt und was scheiße schmeckt oder sich nicht lohnt, lasse links liegen.

    Ziemlich egoistisch, aber es bringt einem weiter *grins*. Naja auf moralische Werte kann man dabei zwar auch keine Rücksicht nehmen. Mann muss sich halt zu beschränken wissen. *lach*

    Man sollte nur dabei den Preis den man dafür bezahlt bedenken Evo.

    "Der Input bestimmt den Output !"

    Lg Peri

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  4. @Peri: "Man sollte nur dabei den Preis den man dafür bezahlt bedenken."

    Und genau das ist der Punkt an dem die Meisten scheitern ;)

    @Lars: Das nennt man Leben ;)

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  5. ha! hab' ich doch letztens erst irgendwo gelesen: mädels suchen sich unbewusst männer, die ihren vatern ähneln. ob nun optisch oder in wesenszügen.

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  6. @thg
    stimmt hab' ich auch schon gehört

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  7. @ Evo

    "Wer hoch klettert, kann tief fallen."

    Das gilt für uns alle.

    Lg Peri

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  8. @thg & sundrop: "Papa-Töchter suchen sich oft ihre Partner nach ihren Vätern aus. Und: Mama-Töchter fühlten sich weniger von Männern angezogen, die ihrem Erzeuger ähneln." (Quelle: Weltonline Wissen)

    Ich bin eindeutig kein Papakind ;) - vielleicht war ich deshalb so irritiert als Bilder meines Vater im Jugendalter vor meinem geistigen Auge auftauchten. Das war so ein "OH MEIN GOTT, F*CK"-Moment und ich fragte mich, wieso mir das nicht sofort aufgefallen ist und was den Reiz letztendlich ausmachte...

    Wenn man vom "Teufel" spricht - mein Vater kommt.

    @Peri: C'est la vie... sollte man einkalkulieren :)

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  9. @ Evo

    C'est la vie... sollte man einkalkulieren :)

    Und genau deswegen fliegen sie auf die Fresse. *lach*

    Lg Peri

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  10. Edit das mal bin kein OPer. *lols*

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Ein Hinweis. Ein Blog gehört nur dem Schreiber und ist für ihn der Ort, um alles abzuladen - egal ob nichtssagend, reflektiert, unreflektiert, gewichtig, emotional, scheisse oder sonst was. Ein Blog ist auch ein bisschen als Zugang zu den Gedanken eines Menschen zu sehen, d.h. es ist ein Privileg mitlesen zu dürfen.